Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
auf regelmäßige, sportliche Aktivitäten hin. Mit einer Größe von 1,98 überragt er mich um einundeinhalb Köpfe. Er stürmt auf mich zu und greift mich mit beiden Armen, wirbelt mich hoch in die Luft und dreht mich schnell und schneller herum. Nach meinem Geschmack ist die Begrüßung deutlich zu überschwänglich, aber ich lasse mich darauf ein.
»Du bist wirklich gekommen«, sagt er, »ich wollte es erst gar nicht glauben, als ich deine Nachricht heute früh gelesen habe. Du bist da. Wie ich mich freue.« Seine Augen leuchten und er schlägt vor, schnell von diesem unromantischen Ort zu verschwinden. Ich bin fest entschlossen, das Unternehmen Fronkreisch in vollen Zügen auszukosten.
»Morgen Nachmittag habe ich einen Termin in Grasse. Bis dahin sollst du bestimmen, was passiert.« Habe ich das wirklich gesagt? Oh Gott. Dann hätte ich auch gleich sagen können, bis morgen um zwei möchte ich gern gefickt werden, danach brauche ich allerdings eine kurze Pause, denn ich habe noch einen Termin um drei Uhr in Grasse.
»Lass uns doch bitte die Landstraße nehmen«, bitte ich ihn, als er die Richtung zur Autobahn einschlagen will. »In der kurzen Zeit, die mir bleibt, möchte ich gern die Landschaft an der Küste genießen.« Ich kenne mich in dieser Region recht gut aus. Als Kind verbrachte ich mit Ellen und Sophie oft die Ferien auf diesem Küstenabschnitt
»Du hast bestimmt Hunger. Jetzt ist eine gute Zeit, um dich lecker zum Essen auszuführen. Die kleinen Strandbistros sind geöffnet und wenn du mit einem Snack zufrieden bist, dann kenne ich einen schönen Ort.« Thomas fährt eine kleine Strandbar an. Die in der Wintersaison verglaste Terrasse ist nur mit zwei Tischen besetzt. Ich setze mich an einen freien Platz direkt ans Fenster und wähle Muscheln und eine Karaffe Roséwein dazu. Die direkte Aussicht aufs Meer bringt mich zum Schwärmen.
»Gibt es etwas Schöneres, als bei einem guten Essen aufs Meer schauen zu können? Ich wüsste nichts!«
»Mal sehen, was der Abend noch bringt.« Thomas lacht und sieht mir dabei tief in die Augen.
Er biegt von der Küstenstraße ab in Richtung Berge. Sein Haus liegt auf einem Weingut. Nicht seinem Weingut, wie er gleich klarstellt. Er wohnt dort zur Miete. Vor Jahren baute er in Eigenarbeit einen ehemaligen Geräteschuppen zu einem kleinen, idyllischen Wohnhaus um.
»Ich mache uns den Kamin an.« Die Abende sind auch in Südfrankreich zu dieser Jahreszeit noch kalt und ungemütlich. Ich bleibe bei Roséwein. Thomas mustert mich von oben bis unten.
»Du bist noch viel schöner als in meiner Erinnerung. Du solltest dich sehen, wie dein Haar in diesem Licht glänzt.« Ich denke, dass bei dieser Funzel Beleuchtung selbst meine Schwiegermutter Hanna noch als Schönheit durchgehen würde. Ich sage aber nichts und beschließe, die Komplimente meines bemühten Gastgebers zu genießen. Dennoch kriecht langsam die Panik in mir hoch. Während meiner langen Zeit mit Steffen habe ich noch nie mit einem anderen Mann geschlafen. Abgesehen von Matthias. Aber das war vor meiner Ehe und lag schon über 28 Jahre zurück. Thomas ist betont zärtlich. Zu zärtlich für meinen Geschmack. Es fühlt sich für mich an, wie eine Untersuchung beim Frauenarzt. Wenn Dr. Petermann meine Brust nach Knoten und meinen Körper nach anderen Auffälligkeiten abtastet, ist das gleichermaßen erotisch. Aber was soll’s? Ist doch nur Sex! Oder was hat Steffen gesagt. Nun werde ich mal Dampf ablassen, aber es ist nicht mehr als ein laues Lüftchen.
Am nächsten Morgen führt Thomas mich über das Weingut. Er legt seinen Arm um mich und gibt beim Gehen die Richtung vor. Ich habe Schwierigkeiten, ihm mit meinen viel kürzeren Beinen zu folgen. Macht er einen Schritt, brauche ich zwei. Wie ein kleiner Dackel hoppele ich neben ihm her. Das Unternehmen Fronkreisch bringt mir nicht den erwünschten Erfolg. Selbst die Tatsache, dass ich mich im innig geliebten Süden befinde, kann die Enttäuschung nicht wett machen. Beim Spaziergang denke ich, dass ich für eine so lahme Nummer wie in der letzten Nacht, nie und nimmer meine Ehe aufs Spiel gesetzt hätte. Das steht fest. Ich packe meine Sachen zusammen und lasse mich von ihm nach Grasse fahren.
Monsieur Crouchon erwartet mich schon. Wir beide kennen uns schon seit Jahren vom Telefon. Der ältere, pummelige François spricht nur gebrochen Deutsch. Aber in einem Mix aus Französisch, Englisch und Deutsch gelingt
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