Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
dreißig bekommen Sie Besuch von einer Frau Schäfermann aus dem Hause QHS. Sie wollte zwar, dass sie zu ihr fahren, aber ich habe ihr gesagt, dass es bei uns üblich ist, Erstgespräche in unserem Haus stattfinden zu lassen«. Mit einem Gesichtsausdruck der Zufriedenheit bedanke ich mich für die gute Nachricht. Wenn privat schon alles den Bach runter geht, soll wenigstens dem geschäftlichen Erfolg nichts mehr im Wege stehen. Ich verziehe mich in meinen sterilen Laborraum. Als Perfektionistin bin ich noch immer nicht mit dem Duft der neuen Kirschserie zufrieden. Unter den Vorschlägen meines Partners in Aroma Fragen, dem Chefparfumeuer Monsieur Crouchon aus Grasse, waren auch noch keine 100%igen Treffer. Ich stelle alle bisherigen Testansätze in einen Karton und beschließe in die Villa nach Blankenese zu fahren und Sophies geschulte Nase zu Rate zu ziehen.
Beim Eintreten stolpere ich über drei Koffer und zwei Reisetaschen, die in der Eingangsdiele stehen. So schnell habe ich mit der Abreise meiner Schwester nicht gerechnet. Im Wohnzimmer stelle ich erst einmal den überlauten Fernseher aus. Sophie schläft tief und fest auf dem großen Sofa und schnauft vor sich hin. Ein Glas und eine fast geleerte Flasche Cognac auf dem Tisch lassen erahnen, dass sie den Tag wieder mit ihrem Seelentröster verbracht hat. Mein Versuch, mein Schwesterchen zu wecken, bleibt ohne Erfolg.
»Sie hat sich wieder dicht gesoffen«, schimpfe ich und nehme das Glas und die Flasche vom Tisch und bringe alles in die Küche. Auf der Arbeitsplatte liegen ausgebreitet Ausweispapiere, Flugticket, Brieftasche und ein Adressbuch. Ich nehme das Ticket in die Hand und suche nach den Flugdaten. Es bestätigt sich, dass sie den Abflug für den nächsten Tag gebucht hat. Kopfschüttelnd blicke ich auf meine komatöse Schwester.
»Das denkst aber nur du!« Ich bin fest entschlossen, sie in dieser Verfassung nicht allein an die Algarve zurückkehren zu lassen und stelle das Gepäck zurück, bevor auch ich schlafen gehe.
»Meine Maschine geht in zwei Stunden. Und ich werde an Bord gehen. Was denkst du dir? Glaubst du ich brauche einen Aufpasser?« Sophie ist außer sich vor Wut.
»Ist dir vielleicht mal die Idee gekommen, dass ich dich brauchen könnte? Mein bisheriges Leben läuft gerade aus dem Ruder und geschäftlich stehen wir vor der größten Herausforderung seit Firmengründung. Was ist nun? Lässt du mich hängen oder kann ich auf dich zählen?«, schwindel ich sie an. Mir ist klar, dass ich sie nur mit dieser Taktik aufhalten kann. Ich öffne den Karton mit Duftmustern und berichte ausführlich von der Messe und dem anstehenden Termin mit der Beauty Tante vom Sender. Sophies Schnupperfähigkeiten sind wohl dem übermäßigen Genuss von Brandy zum Opfer gefallen. Sie ist in der Aroma Frage keine große Hilfe. Aber sie rät mir, schnellstens nach Grasse zu reisen, um mit Crouchon persönlich nach dem perfekten Duft zu suchen. Ich muss grienen. Nachdem ich meinen Flug nach Nizza gebucht habe, berichte ich meiner Schwester von dem Einscheiben-Wurst-Mann und seiner SMS. Ich habe sie noch nicht gelöscht und lese sie laut gackernd vor.
»Ruf ihn an! Das ist die beste Möglichkeit, deinen treulosen Mann aus dem Kopf zu bekommen. Solltet ihr euch treffen, dann spielst du hoffentlich nicht wieder das Blümchen Rührmichnichtan. Du lässt dir gefälligst von ihm deine trüben Gedanken aus dem Kopf ficken. Und zwar so oft und so lange bis du wieder klar bist, hast du verstanden!«
»Du hast eine Wortwahl, seitdem du säufst. Daran werden wir arbeiten müssen, wenn ich zurück bin.« Albern wie ein kleines Schulmädchen gluckse ich vor Freude, als ich die Nachricht an Thomas abschicke.
Hallo Nimmersatt, wenn du mich sehen willst, dann komme morgen nach Nizza zum Flughafen. Ich lande um 12.20 h. Grüße Marie
Diesmal kann ich keinen Fensterplatz ergattern. Nach fast drei Stunden Flugzeit landet der Flieger mit Verspätung. Die Wartezeit auf meinen Koffer kommt mir unendlich vor. Als ich durch die Glasschiebetür trete, sehe ich den erfreuten Thomas schon von Weitem winken. Optisch ist er eigentlich nicht mein Typ. Im Vergleich zu Steffen schneidet er schlechter ab, obwohl er gute zehn Jahre jünger ist, als der Mistkerl. Sein lichtes, blondes Haupthaar lässt erahnen, dass seine hohen Geheimratsecken bereits rasante Fahrt in Richtung Glatze aufnehmen. Allerdings ist er deutlich höher gewachsen und sein Körper deutet
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