Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
»Ein Gedicht, Arnaud. Du bist genial.«
»Eine heiße Suppe wäre jetzt für mich genau das Richtige«, mischt Valerie sich ein.
»Tut mir leid, Madame. Die Tagessuppe ist aus. Die letzte Portion habe ich für meine schöne Arbeitgeberin aufgehoben«, lacht Arnaud und beendet seine Pause.
»Habe ich da Funken fliegen sehen?«, fragt Ellen.
»Ach Mama, du nicht auch noch!«
»Was sagst du, Christina. Sieht der Koch nicht aus wie Richard Gere?« Auch sie kann ihm eine gewisse Ähnlichkeit nicht absprechen.
Der schüchterne Frank begrüßt mich mit einer Umarmung. Ich stelle meiner Schwester den dritten Masseur vor.
»Der spricht ja kaum Deutsch. Das kann ja heiter werden.«
»Schwesterchen, wir sind hier in Frankreich. Da ist es nicht ungewöhnlich, dass die Menschen ihre Landessprache sprechen. Was soll dein Getue? Warum weigerst du dich Französisch zu sprechen? Ich weiß, dass du es kannst.« Sophie zieht ein Gesicht. Sie ist noch immer beleidigt, weil ich ihre Optimierungspläne abgelehnt habe. Um als schnöde Hilfskraft zu agieren, ist sie nicht geblieben. Sie hat gute Ideen, wie man mir unter die Arme greifen kann. Manchmal muss man mich zu meinem Glück zwingen. Genau das, hat Sophie auch vor.
»Tobi, kannst du mir nachher den Wagen noch umdrehen. Ich kann den Mercedes unmöglich rückwärts die Auffahrt runter fahren. Ich war schon beim Bäcker. Gleich gibt es Frühstück. Ihr könnt noch zehn Minuten liegen bleiben. Danach fahre ich Clara zur Schule.« Ellen hat ohne Anzuklopfen das Schlafzimmer betreten und weckt uns um 6.30 Uhr. Ich habe genau vier Stunden geschlafen und bin hundemüde. Mit der Aussicht auf einen starken Kaffee steige ich aus dem Bett. Ich nehme meinen Morgenmantel und schleppe mich in die Küche. Mein Blick fällt auf den Hund Balou, der Unmengen Trockenfutter in sich hinein schlingt.
»Wie viel Futter hast du ihm gegeben?«
»Das ganze Napf voll.« Sofort ziehe ich dem Hunde das Fressen unter der Nase weg.
»Willst du das arme Tier umbringen? Er darf maximal eine Tasse davon. Das Futter quillt in seinem Magen noch auf und das Volumen verdoppelt sich. Es ist lieb gemeint, Mama, aber künftig füttere ich den Hund selber.« Den zweiten Schock erleide ich, als ich zum Tisch gehe, um Clara einen Morgenkuss zu geben. Sie verspeist gerade eine Brioche mit Nussnougatcreme und trinkt dazu eine Coca Cola.
»Was geht denn hier ab? Clara, du solltest es besser wissen. Es ist nicht nett, Omas Unwissenheit so auszunutzen. Nussnougatcreme ist hier tabu! Sie bekommt zum Frühstück eine Scheibe Vollkorntoast, Obst und ein Glas Milch. Das war so und das bleibt so. Es hat mich viel Mühe gekostet, diese Regel einzuführen. Du brauchst auch morgens nicht zum Bäcker zu fahren. Croissants und Brioche gibt es bei uns nur sonntags.« Tobias steht unter der Dusche und bekommt von meiner frühmorgendlichen Aufregung nichts mit. Er setzt sich in Boxershorts und Shirt an den gedeckten Tisch und freut sich über die reichliche Auswahl an buttrigen Gebäckwaren.
»Lecker, dein Frühstück, Ellen. Du verwöhnst uns ja richtig.« Ja, genau. Bevor du hier aufgeschlagen bist, gab es für meine Familie nur Wasser und trocken Brot, denke ich und werfe meinem Mann einen bösen Blick zu.
»Marie, dann fahre du mir doch den Wagen runter. Ich will Tobi jetzt nicht bemühen. Er soll in Ruhe frühstücken.« Ich greife nach den Autoschlüsseln und rangiere den Mercedes in Fahrtrichtung.
»Mama, du kennst den Weg zur Schule? Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Dann fahren wir heute noch einmal zusammen.«
»Glaubst du, ich bin verkalkt? Behandle mich nicht so. Es reicht, dass ich mir das dumme Geschwätz von Sophie anhören muss.« Oma und Enkelin machen sich auf den Weg und ich atme tief durch. Ein zweiter Kaffee und eine heiße Dusche bringen mich wieder auf Trab.
»Du musst schon los? Ich hatte gehofft, wie könnten die Zeit zum Kuscheln nutzen, wenn Ellen jetzt weg ist.«
»Ich lasse die Jungs mit dem Frühstücksgeschäft nicht allein. Nicht böse sein. Das spielt sich ganz bald ein.« Tobias verspricht, rasch nachzukommen und erhält einen langen Kuss zum Abschied.
Louis wurde vom Maître während der Frühschicht vom Abwäscher zum Frühstückskoch befördert. Sarah bedient die Kaffeemaschine. Timo und Christina schlafen noch fest. Ich komme gerade rechtzeitig. Ich serviere gerade zwei petit déjeuner auf
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