Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
»Steffen, nach deiner Massage fühle ich mich wie neugeboren. Das darfst du gerne regelmäßig machen.« Sophie mischt sich ein.
»Mal sehen, ob Steffen einen Termin frei hat. Er ist schließlich angereist, um Maries zahlende Kunden zu behandeln.«
»Das ist der erste vernünftige Satz, den ich hier heute gehört habe«, sage ich und bringe meinen leeren Teller in die Küche.
»Danke für die Extra Mühe, die du dir wegen Clara gemacht hast.«
»Alles, was in meiner kulinarischen Macht liegt, dich wieder lächeln zu sehen, übernehme ich mit Freude.«
»Ach Arnaud, du scheinst mir hier der einzige Normalo zu sein.«
Vier deutsche Touristen nehmen auf der Terrasse Platz. Die Männer studieren die Speisekarte und winken den Ober an ihren Tisch.
»Vier Pils und vier Mal Schnitzel mit Pommes«, bestellt der Älteste der Gruppe. Der Kellner versteht nicht und fragt auf Französisch und Englisch nach.
»Vier Pils und vier Mal Schnitzel mit Pommes«, wiederholt der Deutsche in doppelter Lautstärke. Ich übernehme den Tisch.
»Die vier Pils gehen in Ordnung, meine Herren. Allerdings Schnitzel und Pommes werden Sie bei uns auf der Speisekarte nicht finden.«
»Wenn Ihr Koch son Gedöns kochen kann, wird er doch wohl in der Lage sein, ein Stück Fleisch zu panieren.«
»Wenn Sie das Gedöns nicht zu schätzen wissen, sollten Sie sich ein anderes Lokal zu suchen. Vielleicht ist die Côte d’Azur nicht der richtige Urlaubsort für Sie. Versuchen Sie es doch auf Mallorca am Ballermann. Da soll es hervorragende Schnitzel geben.« Ich lasse das prollige Quartett unbedient am Tisch zurück. Danach geht es mir auf Anhieb besser.
»Das war nicht sehr freundlich«, bemerkt Sophie.
»Der Gast hat einen unverzeihlichen Fehler begangen und ihren Maître beleidigt«, frotzelt Tobias. Ich ignoriere die Spitze meines Mannes und fahre Clara und Ellen nach Hause. Nach einer Stunde Schlaf bin ich bereit für die zweite Runde.
Stolz zeigt Christina eine neue Kette, die Timo ihr am Nachmittag geschenkt hat. Mir wird beim Anblick des Goldschmucks ganz anders zu Mute. Ich frage mich, ob sich meine Schwägerin dumm stellt oder sie tatsächlich ahnungslos ist.
»Mit mir könntest du das nicht machen, mein Lieber«, zischel ich Timo zu.
»Mit dir, hätte ich es auch nicht nötig, schöne Schwägerin.«
»Wage es nie wieder, unser Boot als Stundenhotel zu benutzen!« Ich bin außer mir. Timo hat es praktisch zugegeben. Er ist das Ebenbild seines grabschenden Vaters. Kurz entschlossen rufe ich meinen Oberkellner zu mir.
»Du schaffst es heute sicherlich ohne mich. Wenn alle Stränge reißen, kannst du mich zu Hause anrufen.« Am Musikertisch befreie ich meinen Mann aus Valeries Klauen.
»Komm Schatz. Wir fahren heim. Heute Abend wird gekuschelt!« Es ist schon nach neun und Clara ist immer noch wach. Gemeinsam mit Ellen sieht sie einen Krimi im Fernsehen an. Balou hat wieder in die die Diele gepinkelt.
»Tobi, so geht das nicht. Meine Mutter ist überfordert und ich habe keine ruhige Minute mehr, wenn sie allein mit Clara ist.« Wir führen unsere Unterhaltung im Flüsterton weiter. Wenn bei Ellen auch Gedächtnis und Konzentration nachgelassen haben, ihr Gehör funktioniert noch einwandfrei. Sie macht keine Anstalten ins Bett zu gehen. Bis nach Mitternacht schaut sie fern.
»Alte Leute brauchen weniger Schlaf.«
Christina lässt sich von Claire als erste Kundin am Morgen die Haare aufdrehen.
»Zahlt sie wenigstens bei dir oder denkt sie, das wäre im All Inklusive Paket enthalten«, flachse ich. Madame Christbaum führt ihre frisch gewellten Goldlocken auf die Terrasse. Der Wind kann ihrer Frisur nichts anhaben. Die Löckchen halten dank einer ganzen Dose Haarspray den Böen stand.
»Ab heute ist hier Selbstbedienung angesagt«, bestimme ich. »Mit der Kaffeemaschine kennst du dich ja aus.« Ich habe es meinen Kellnern untersagt, die Familie weiterhin zu bedienen. Christina geht in die Küche, um für sich und ihren noch abwesenden Mann, ein Frühstück zusammen zu stellen. Florence reicht ihr ofenwarme Croissants und fragt, ob sie Eier bereiten soll. Die zunächst freundliche Miene von Christina erstarrt zu Eis, als ihr Blick auf das Delkotee der jungen Sous Chefin fällt. Die Kette, die den Hals der schönen Bäckerin schmückt, gleicht ihrem Geschenk vom Vortag bis aufs kleinste Detail.
»Die Eier
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