Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
suspekt. Ellen hat mir bisher nie privat unter die Arme gegriffen. Sie zeigte weder Interesse an Frederik, noch an meinen vier Enkeln. Jetzt im hohen Alter von über 80 bietet sie ihre Hilfe wie Sauerbier an. Tobias findet die Idee fabelhaft. Nur deshalb stimme ich zu.
Als wir gegen 18.00 Uhr vorfahren, ist das Lokal bereits gefüllt. Sarah und Claire haben sich um den Einlass der heimlichen Gäste gekümmert und Benjamin spielt zum Eintreffen des Geburtstagskindes laut auf. Die Überraschung ist rundum gelungen. Gerührt nimmt er die Glückwünsche und zahlreiche Geschenke entgegen. Als er das Klavier bestaunt, fliegen seine Finger flink über die Tasten. Mit dieser kurzen Musikeinlage geben sich die Anwesenden nicht zufrieden. Nach lautstarker Aufforderung setzt er sich ans Piano und musiziert mit Benjamin. Kurz darauf gesellt sich auch Valerie dazu. Sie gehört seit kurzem fest zu Benjamins Ensemble. Die im Ort bekannte Sängerin, macht das Trio komplett. Als das Lokal noch Restaurant René hieß, war sie solo unterwegs. Schon damals hat die junge Blondine ein Auge auf Tobias geworfen. In brünstig singt sie von unerfüllter Liebe und rückt immer näher an den Pianistin heran. Valerie kann jeden Mann haben. Jeder der Anwesenden hätte sich glücklich geschätzt, von der Mittdreißigerin so angesehen zu werden. Aber sie will Tobias. Das ist nicht zu übersehen.
»Schau nur, wie schamlos diese ordinäre Singdohle deinen Mann anschmachtet. Was sagst du dazu?«
»Dass sie einen ausgesprochen guten Geschmack hat, Mama, was soll ich sonst sagen?« Ich verlasse den Gastraum und gehe in die Küche, wo Arnaud mit der Zubereitung der Muscheln Provencal beschäftig ist. Mit Sarah, Claire und Sophie bringe ich die Portionen an die Tische. Als Letzte setze ich mich an den Familientisch und höre mit Erstaunen, was während meiner Abwesenheit besprochen und beschlossen wurde.
»Selbstverständlich helfen wir euch. Wozu ist Familie denn da!«
»Von Gastronomie habe ich keine Ahnung. Aber im SPA kannst du mich einsetzen. Da kenne ich mich aus«, lautet der Vorschlag von Sophie.
»Und Christina und ich übernehmen täglich eine Schicht im Bistro. Ob morgens oder abends ist uns gleich«, bietet Timo an. Ich traue meinen Ohren nicht. Entsetzt schaue ich meinen Mann an. Aber angesichts seiner Begeisterung über diese Angebote, kann ich mir seiner Unterstützung nicht sicher sein.
»Ich kann dir nur damit helfen, in dem wir schnellstens wieder abreisen. Thea und ich sind nur eine Belastung für dich.«
»Dann ziehe ich morgen gleich ins Gästezimmer. Was meinst du Clara, wir beide werden viel Spaß mit einander haben«, sagt Ellen. Ich gehe in die Küche und schenke mir einen doppelten Cognac ein. Anders ist diese Nachricht nicht zu verdauen.
»Das ist nicht der edelste Tropfen, aber zum Flambieren der Beste. War etwas mit dem Essen nicht in Ordnung oder warum schauen Sie so böse?«
»Arnaud, das Essen war perfekt. Kommen Sie, lassen Sie uns Brüderschaft trinken. Ich heiße Marie und ich brauche hier dringend einen Verbündeten, der nicht mit mir verwandt oder verschwägert ist.« Timo kommt mit einem Tablett schmutzigen Geschirr in die Küche und hält Ausschau nach Florence. Sie steht in der Abwaschzone und räumt saubere Teller aus dem Geschirrspüler.
»Ich helfe Ihnen. Wohin damit?« Florence deutet auf ein offenes Regal aus Edelstahl. Der eifrige Timo nimmt ihr den Stapel Teller aus der Hand und lässt ihn Sekunden später fallen.
»Die sind ja kochendheiß!«, entschuldigt er sich. Ich hole Besen und Schaufel und bitte ihn, zurück zur Feier zu gehen. Das laute Scheppern ruft Christina auf den Plan.
»Ich glaube, ich spinne! Seit Jahren weigerst du dich, in der Küche einen Handschlag zu rühren und hier willst du freiwillig beim Abwasch helfen?« Sie nimmt sich ein frisches Geschirrhandtuch und hilft dabei, die Gläser zu polieren. Jedes zweite Glas zerbricht unter ihren Händen. Nach nur fünf Minuten haben die Winters einen Schaden von rund zweihundert Euro verursacht.
»Es geht doch nichts über Fachpersonal«, stöhne ich und bringe auch die Glasscherben in den Müll. Im Gastraum machen sich Jean und Carlos mit der neuen SPA Leitung Sophie bekannt. Ich wundere mich. Obwohl meine Schwester passabel Französisch sprechen kann, fordert sie die beiden Masseure auf Englisch heraus.
»Warum bietest du keine medizinischen Massagen nach
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