Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
der Terrasse, als ich glaube, an Wahnvorstellungen zu leiden. Ich blicke in die Augen meines Exmannes Steffen, der mit zwei großen Koffern in der Hand vor mir steht. Er begrüßt mich mit Küsschen auf die Wange und strahlt über das ganze Gesicht.
»Was zum Geier machst du denn hier?« Ungläubig schaue ich ihn immer wieder von oben bis unten an.
»Sophie sagt, du brauchst meine Unterstützung im SPA. Dir fehlt ein Masseur. Hier bin ich.« Ich stelle mein Tablett ab und stampfe die Treppe zum Appartement Nummer eins herauf. Mit der geballten Faust trommel ich wild an die Tür und schreie: »Mach sofort die Tür auf, du blöde Kuh!« Es dauert einen Moment bis Sophie gehorcht. Sofort brülle ich weiter.
»Hast du den Verstand verloren? Wie kommst du dazu, Steffen herzubitten. Ist das Chaos denn noch nicht groß genug?«
»Wenn ich dich unterstützen soll, brauche ich jemanden im SPA, der mich versteht. Mit Frank klappt es einfach nicht. Er weigert sich, Englisch mit mir zu sprechen. Nun sei doch nicht so undankbar und freue dich lieber, dass wir dir alle helfen wollen.«
»Das wirst du Tobias erklären! Du ganz allein!« Ich schnaube vor Wut und bin fassungslos. Sophie begrüßt Steffen und trägt sein Gepäck in den ersten Stock. Er zieht zu ihr ins Appartement. Für die kurze Zeit soll es wohl gehen. Schließlich sind sie keine Fremden. Sie kennen sich seit siebenunddreißig Jahren. Der Stammtisch, der früher für die Residenten reserviert war, wird nun von der Großfamilie belagert. Ellen, Timo und Christina trinken gemütlich ihren Kaffee und schauen den Kellnern bei der Arbeit zu, als Sophie und Steffen dazu stoßen. Als Ellen ihren Ex Schwiegersohn erkennt, bricht es aus ihr heraus.
»Was hast du denn hier verloren? Wird man dich denn nie los? Du klebst ja wie Pattex an uns.«
»Dein Benehmen ist ungeheuerlich, Mama. Steffen ist hier, um Marie zu helfen. Also schlage einen anderen Ton an!«, schimpft Sophie.
Arnaud und Florence kommen vom Großmarkt zurück. Timo geht der schönen Sous Chefin beim Ausladen zur Hand und der Maître zeigt mir die frischen Edelfische, die er gerade erstanden hat.
»Heute nehmen wir Loup de Mer auf die Tageskarte. Bist du einverstanden?« Ich nicke. Mir ist der Appetit gründlich vergangen. Meine Helfer steigen von Kaffee auf Wein um und unterhalten sich angeregt. Sarah beobachtet das Schauspiel vom Tresen aus und amüsiert sich über mich.
»Mach mal ein freundliches Gastgebergesicht. Mit dieser Miene verschreckst du ja die Gäste«.
»Ja, stimmt. Besonders freundlich schaust du heute nicht. Komm mit mir in die Küche. Ich habe etwas für dich vorbereitet, das deine Stimmung heben wird.« Ich folge Arnaud. Mit einem Satz springe ich auf den stabilen Edelstahltisch und lasse mich mit geschlossenen Augen füttern.
»Hm, Champagner Trüffelschaum«, rufe ich entzückt. »Ganz exzellent!« Als ich die Augen wieder öffne, steht Tobias vor mir. Er braucht nichts zu sagen. Ich folge ihm sofort.
»Das ist ganz allein auf Sophies Mist gewachsen. Ich habe ihn nicht gebeten zu kommen. Er stand mit zwei Koffern vor mir. Ich war selbst überrascht. Jetzt teilt er sich das Appartement mit meiner Schwester.«
»Wovon sprichst du?«
»Na, von Steffen. Was hast du denn gemeint?« Tobias kommt nicht mehr dazu, mir zu sagen, was er meinte. Clara stürmt auf mich zu und berichtet, dass sie am Morgen das erste Mal zu spät zum Unterricht gekommen ist. Die Lehrerin hat sehr mit ihr geschimpft. Dabei hat Oma die ganze Schuld. Sie hat sich verfahren. Ich soll eine schriftliche Entschuldigung schreiben, sonst gibt es einen Eintrag ins Klassenbuch. Clara ist völlig aufgelöst. Ich bin stink sauer.
»Jetzt reicht es mir!« Ich bin im Begriff auf die Terrasse zu stürmen und meiner angestauten Wut freien Lauf zu lassen. Aber Tobias hält mich zurück. Timo bestellt beim Kellner eine weitere Karaffe Wein und erkundigt sich, ab wann man zu Mittag essen kann. Ich drehe mich auf dem Absatz um und gehe in die Küche.
»Pack mir bitte drei Portionen Plat du jour ein. Ich nehme sie mit und koche zu Hause selbst für uns. Ich muss hier schnellstens raus, sonst passiert noch ein Unglück.«
Wir fahren mit getrennten Wagen nach Hause. Als ich die Haustür aufschließe, quiekt Hund Balou vor Freude. Er hat bereits in die Diele gepinkelt. Ich mache sauber, räume den Frühstückstisch ab und bereite das Mittagessen.
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