Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Liebesnest sein soll. Ich zeige mich wenig interessiert.
»Wo ist dein Gepäck? Ist alles in Ordnung? Warum machst du ein so ernstes Gesicht?«
»Ich bin nur gekommen, um mit dir zu reden. Du hast genau zwei Stunden Zeit, mir zu erklären, weshalb du mich so schamlos belogen hast. Mein Rückflug geht noch heute Abend. Also lass uns auf den Punkt kommen. Ich weiß über Clara Bescheid. Warum, Tobi?« Er erstarrt und entzieht sich meinem fordernden Blick.
»Es hätte alles zwischen uns kaputt gemacht. Ich war mir sicher, dass du nicht bei mir geblieben wärst, wenn ich es dir erzählt hätte. Unsere Beziehung war noch so frisch und zerbrechlich und dich quälten Zweifel und das schlechte Gewissen. Ich hatte einfach Angst, dich zu verlieren.«
»Nach zwei Jahren war unsere Beziehung aber nicht mehr frisch und zerbrechlich. Ich habe dich nach der Hochzeit gefragt und du hast mir frech ins Gesicht gelogen. Die ganze Zeit hast du mir vorgemacht, du würdest nach Birgit suchen. Der Gipfel ist, dass du Steffen eine Intrige unterstellt hast!«
»Marie, ich wünschte mir immer nur ein Leben mit dir. Birgit hat gewusst, dass ich keine Kinder will und sich trotzdem für das Kind entschieden. Ich werde nicht zulassen, dass ihre egoistische Entscheidung unser Leben beeinflusst. Birgit erwartet nichts von mir. Ich zahle und damit gut!«
»Birgit ist tot und deine Tochter lebt seit drei Wochen in einer Pflegefamilie. Dein lässiges Leben ist vorbei. Ob du Kinder haben wolltest oder nicht, spielt jetzt keine Rolle mehr. Du hast eine leibliche Tochter und wirst Verantwortung übernehmen müssen! Was uns beide angeht, sage ich dir nur eins. Ich kann und werde dir deinen Betrug nicht verzeihen. Mach, was du willst. Von mir aus, kannst du deinen Egotrip fortsetzen. Lebe in New York oder in Paris, aber ohne mich. Ich bin kein Groupie, der dir willenlos überall hin folgt.«
Vom Flughafen rufe ich Sarah an und sage, dass ich nach meiner Landung für einige Tage in Berlin bleiben werde. Klamotten, Friseur, Beauty. Nach meiner Verwandlung werde ich einen Termin mit Clausen wahrnehmen und den Kollegen im Sender einen Ausgeben. Sarah verspricht, auch zu kommen. Ich erhalte einen kinnlangen, gestuften Bob mit langem Pony, eine Tönung in Haselnuss und eine Neugestaltung meiner Augenbrauen. »Das hast du fein gemacht.« Ich gebe dem Haarstylisten einen Kuss auf die Wange und zehn Euro Trinkgeld in die Hand. Danach gehe ich shoppen. Schluss mit maritimem Freizeit Look beschließe ich und kaufe mir ein flippiges Ensemble. Bestehend aus Kleid, Hose und Jacke. Die passenden Schuhe nehme ich gleich mit.
Die neue Bereichsleiterin heißt Frau Rosenbaum und ist schon über fünfzig. Sie bringt eine fast dreißigjährige Berufserfahrung als Filialleiterin einer Parfümeriekette mit. Der Flurfunk hatte ihr verraten, dass sie mir ihre Festanstellung zu verdanken hat. Ihrer Loyalität kann ich mir künftig gewiss sein. Frau Rosenbaum meldet mich telefonisch in Clausens Vorzimmer an. Es dauerte keine fünf Minuten bis er mich persönlich aus der Abteilung abholt und mich mit seinem Fahrstuhlschlüssel in den sechsten Stock begleitet.
»Ich schulde dir noch ein Mittagessen«, sagt er im Lift, ohne mich anzusehen.
»Wir sind per Du? Seit wann?«
»Sie wollen wieder die Kratzbürste spielen. Na gut!«, sagt Clausen und scheint beleidigt.
»Wie darf ich dich denn nennen. Du Clausen?« Er lacht und blickt mich an.
»Ich heiße Peer. Was hältst du von Kohlrouladen? Ich kenne ein Lokal, da gibt es die besten Krautwickel der Stadt.«
»Na dann, Peer! Aber zuerst das Geschäft und dann das Vergnügen.« Ohne Widerspruch trage ich meine Sendedaten für das erste Quartal in den Planer ein.
»Die Verwandlung ist dir aber gelungen«, lobt Sarah mich am nächsten Nachmittag.
»Optisch mag es stimmen, aber frag mich nicht, wie es hier drinnen aussieht.« Ich klopfe mir mit zwei Fingern auf die Brust und Sarah kann die ersten Tränen kullern sehen.
»Ich bin mir noch nicht sicher, ob Tobias ein verlogenes Charakterschwein ist oder ein charakterloser Lügner. Auf jeden Fall ist Schluss. Ich hab die Nase voll von Unwahrheiten und Halbwahrheiten. Trink mit mir auf das junge Jahr und auf mein neues Single Leben.«
Innerhalb von vier Wochen verliere ich rund neun Kilos an Gewicht. Meine Ernährung besteht nur noch aus Wasser und Obst.
»Gehst du heute Abend mit uns zu René?«,
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