Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
dieser Ansage los trete. Niemanden im Sender hatte ich zuvor in diese Aktion eingeweiht. Selbst Sarah weiß nicht Bescheid. Ich verkaufe das Kontingent, das für mehrere Wochen ausgerichtet war, innerhalb der ersten zwei Sendestunden. Clausens Vorzimmerdame holt mich nach der letzten Sendung ab und bringt mich in die Chefetage. Peer steht auf und kommt mir entgegen. Er gibt sich sehr geschäftlich und sagt zu mir, dass sich der Sender an dieser Parfum Aktion nicht beteiligen wird.
»Das ist auch nicht nötig.«
»Dann ist es ja gut! Gehen wir wieder auf eine Kohlroulade?«
»Diesmal nicht. Wenn du mir eine Freude machen willst, dann gebe mir irgendwann mal einen eigenen Liftschlüssel.«
»Den bekommt nur meine Sekretärin und meine Geliebte. Hast du Interesse?« Ich lache laut über seine plumpe Anmache.
»Lass mal stecken, Peer. Dann nehme ich lieber weiterhin die Treppe!«
Ich bin in Eile, denn ich bin mit Steffen an der Hotelbar verabredet. Er wartet schon mehr als eine Stunde, als er die weiße Marie auf sich zukommen sieht. »Wie siehst du denn aus?«, fragt er entrüstet, »ist hier Fasching oder Lumpenball?« Mich amüsiert seine Reaktion und ich weiß, dass er mit meinem neuen Look überfordert ist. Steffen berichtet, dass sich neue Interessenten für das Haus gemeldet haben. Nun, wo er das Haus selbst nicht mehr bewohnt, kann es ihm mit dem Verkauf nicht schnell genug gehen. Über die Scheidung will er sprechen. Jetzt, wo Tobias nicht mehr da ist, besteht aus seiner Sicht doch kein Grund mehr, sich scheiden zu lassen. Er bittet mich, wieder zu ihm zurück zu kommen. »Du bist immer noch mein Mädchen. Auch wenn ich dich gerade nicht wiedererkenne.«
»Soweit waren wir doch schon«, sage ich müde. Steffen trinkt noch zwei Pils und entscheidet sich, die Nacht in Berlin zu bleiben.
»Komm mit mir rauf. Ich habe ein Doppelzimmer. Aber verstehe meine Einladung nicht falsch. Ich erspare dir nur die Übernachtungskosten.« An Einschlafen ist nicht zu denken. Steffen starrt mich unentwegt an.
»Ich möchte dich so gern in den Arm nehmen«, sagte er. Gegen ein bisschen menschliche Nähe habe ich nichts einzuwenden. Ich drehe mich auf die Seite und rücke näher an meinen Noch Ehemann. Dicht aneinander liegend schlafen wir ein.
Auch am nächsten Tag führe ich spielend durch meine drei Sendungen. Der Aufnahmeleiter kommt auf mich zu und sagt: »Mit deiner neuen Garderobe, löst du einen Anrufer Rekord im Callcenter aus. Jede zweite Anruferin will wissen, was du trägst und ob man es bei uns bestellen kann.« Ich freue mich über so viel Anerkennung. Mein Mut zur Veränderung hat sich also gelohnt. Ich beschließe, gleich zu Caro zu fahren und bin gespannt auf die neuen Outfits für den nächsten Monat. Ich verabschiede mich von den Kollegen und will den Sender gerade verlassen, als Clausen mich aufhält.
»Über deine Kleidung müssen wir sprechen! Wir hatten heute fast 40 Prozent Einbußen, weil nicht gekauft, sondern deine Kleiderfrage diskutiert wurde. Zur nächsten Sendung kommst du normal angezogen!«
»Dir ist wohl nicht gut! Ich werde mir doch von dir nicht vorschreiben lassen, was ich anziehen darf. Arbeite ich etwa bei der Bundesbahn?!«
»Dann sag das nächste Mal, sie sollen dich privat anrufen, wenn sie mehr über deinen Rock wissen wollen«, sagt Peer und zieht erzürnt ab. Ich nehme ihn beim Wort.
»Liebe Zuschauer, bitte richten Sie ihre Fragen bezüglich meiner Kleidung nicht an den Sender. Diese Garderobe ist meine Privatsache und steht hier nicht zum Verkauf. Wenn sie mehr erfahren wollen, schreiben sie mir doch einfach. Meine Adresse lautet Marie Simon, Postfach 83987, Croix Valmer in Frankreich.«
Die Märzsonne lockt mich ins Freie. Angespornt von meinem enormen Gewichtsverlust mache ich unter Belles Anleitung täglich morgens eine halbe Stunde Frühsport im Garten. Zu gern würde ich schon Schwimmen gehen, aber das Poolwasser ist noch zu eisig um diese Zeit. Danach verspeisen wir Frauen einen bunten Obstsalat.
»Du bist derartig diszipliniert, seitdem Tobi fort ist. Und ihr habt wirklich keinerlei Kontakt mehr zu einander?« Ich schüttle den Kopf und verrate nicht, dass ich täglich SMS, Mails und Anrufe auf dem Anrufbeantworter von ihm erhalte, die ich jedoch nie beantworte.
»Ich war gestern in Nizza zum Shoppen und bin an Fromberts Galerie vorbei gegangen. Tobis Werke aus New York hängen im Fenster.
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