Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Sie haben mit seinen ersten Arbeiten nichts mehr gemeinsam. Die Bilder sind trist und dunkel. Schwarz, weiß und grau. Beim Anblick wird man regelrecht depressiv.« Belles Ausführung werden durch lautes Hupen unterbrochen.
»Madame Simon«, ruft der Postbote und stellt zwei, prall gefüllte Säcke vor die Tür. Ich kann nicht aufhören zu lachen. Mein Aufruf, sich in Fashion Fragen, per Post an mich zu wenden, hat diese Briefflut ausgelöst. Wir sehen uns erstaunt an und sortierten die Briefe in einen Haufen mit Komplimenten und einen anderen mit konkreten Anfragen. Die Anfragen überwiegen.
»Du hast ab heute einen zweiten Job, Belle. Wir werden eine eigene Modelinie vermarkten.« Ich rufe Caro an und bitte sie, so schnell wie möglich zu mir zu kommen. Vor meinem Kleiderschrank zeige ich Belle, die Modelle, die ich während der letzten Sendungen trug. Ich bin in höchster Euphorie und halte das schwarze Mantelkleid mit den übergroßen Beuteltaschen an die gelbe Collage. Meine Augen wandern aufgeregt vom Kleid wieder zurück zum Wandbild.
»Stell dir dieses Modell vor, wenn wir statt der schwarzen Taschen, Motive aus der Collage übernehmen.« Dann greife ich zum Telefon und rufe meinen Berliner Anwalt an.
»Nein, Herr Strömer, es geht nicht um die Scheidung. Sie haben doch einen Patenanwalt in ihrer Kanzlei. Bitten Sie ihn, sofort die Marke Mató für mich zu registrieren.«
»Was soll ich dabei tun? Ich kann nicht nähen«, sagt Belle.
»Du hilfst mir bei der Bestellannahme, dem Versand, der Kundenberatung, dem Internetshop, der Kataloggestaltung und..und..und... Ich erkläre meiner verdutzten Freundin, dass ich mir nur ein zweites Standbein schaffen will. Aber Belle kennt mich besser und begreift, dass es nur mein verzweifelter Versuch ist, mich mit Arbeit von meinem Schmerz über das Ende der Beziehung zu Tobi abzulenken. Ich gehe durch alle Zimmer und überlege. Hastig beginne ich mit der Suche nach den alten Bauzeichnungen für das Atelier. Ich rolle die Pläne auf dem großen Esstisch aus und greife zum Telefon. Ich bestelle den Urheber dieser Planungen zu mir nach Haus. Gemeinsam mit dem Baumeister schreite ich das Grundstück ab. Zu den ursprünglichen Plänen gebe ich noch Änderungswünsche auf. Der Baukörper soll länger werden und ich wünsche mir weite Glasfronten, die den Blick in den Garten frei geben. Der Architekt muss mir versprechen, die Bauarbeiten im Schnelltempo abzuschließen.
Ich bin viel zu früh aufgebrochen, um Caro vom Flughafen abzuholen. Der Flieger landet erst in einer Stunde und ich nutze die Gelegenheit und fahre an der Galerie vorbei. Um unerkannt zu bleiben, parke ich den Wagen in einer Nebenstraße und luchse nur vorsichtig durch das Schaufenster. Trotzdem bleibt mein Interesse nicht unbemerkt. Freundlich werde ich von einem jungen Mann auf dem Bürgersteig begrüßt.
»Kommen Sie doch rein.«
»Ist Monsieur Frombert heute da?«
»Nein, tut mir leid. Pascal ist bis Ende des Monats in New York. Ich bin Marc und vertrete ihn. Darf ich Sie herumführen?« Nun folge ich ihm. Das Betrachten der Bilder löst ein Unwohlsein in mir aus. Ich verspüre ein Ziehen in der Magenkuhle und mein Puls rast bis in den Hals.
»Die Werke sind von einem deutschen Künstler. Er ist noch nicht so bekannt, deshalb sind sie noch sehr erschwinglich. Unter uns, der Preis ist noch verhandelbar.« Ich stutze, denn Tobias Werke werden unter 5000 Euro gehandelt. So groß kann sein Verdienst also nicht gewesen sein. Von wegen »ein Honorar, das sich gewaschen hat«, ärgere ich mich. Dafür hat er tatsächlich 6 Monate Trennung in Kauf genommen? »Was schert es mich«, sage ich und fahre weiter zum Flughafen.
Der Baumeister hat den Mund nicht zu voll genommen. Das neue Atelier wird bereits vor Ostern fertiggestellt. Ich dekoriere meine neue Wirkungsstätte mit den Kleidern und Jacken der ersten Musterkollektion.
»Robert wird immer seltsamer.« Ich höre Belle nur mit einem halben Ohr zu. Konzentriert begutachte ich die Abzüge der ersten Kollektion. Caro und ich designen Garderobe für Frauen jeden Alters. Die Idee, sich auf die Zielgruppe 50 plus zu konzentrieren, verwarf ich schnell wieder. »Alterslos« ist das Credo der neuen Marke. Bewusst verzichtete ich auf Fotomodelle und ließ stattdessen Ellen, Belle und mich selbst zusammen mit Enkelin Lillie in flippigen Ensembles ablichten. Die Fotos gefallen mir und werden sofort für
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