Ausgefressen
denn?«, will Phil wissen.
»Insgesamt knapp tausend Wohnungen«, erwidert Rufus.
»Mmh. Selbst wenn wir pro Wohnung nur fünf Minuten bräuchten, dann wären das fünftausend Minuten. Das sind …« Er zieht sein Handy hervor, um es auszurechnen.
»… rund dreiundachtzig Stunden«, vollendet Rufus. »Also zehn Tage Arbeit. Mindestens. Ich habe das auch schon kalkuliert.«
»Kurz gesagt: zu viel«, stellt Phil fest. »Bleibt also nur die Möglichkeit, den Fall schleunigst der Polizei zu übergeben. Von Sieversdorf ist nicht nur vermögend, sondern auch einflussreich. Man wird sofort ein paar Dutzend Beamte einsetzen, um die Gebäude zu durchforsten. Mit etwas Glück kann der Alte noch heute Abend auf freiem Fuß sein.«
Phil sieht mich an, als müsste ich ihm begeistert zustimmen. Auch Rufus’ Blick scheint zu fragen: Was gibt es denn da noch zu überlegen?
Ich versuche wieder, die Vorderpfoten vor der Brust zu verschränken, und stelle meinen rechten Hinterfuß locker auf einen Hügel.
»Wir könnten die Vögel um Hilfe bitten«, erwidere ich.
Rufus zuckt zusammen und schaut dann herausfordernd zu Phil hinüber.
»Wenn du mich so ansiehst, heißt das, es wird teuer, richtig?«, fragt Phil.
Rufus zeigt seine Beißerchen und nickt. »Soll ich die Liste holen?«
Phil seufzt. »Na, mach schon.«
Während Rufus im Bau verschwindet, entknote ich meine Vorderpfoten und trete näher an die Brüstung. »Wir treffen uns heute Abend, kurz bevor der Zoo schließt. Du musst die Volieren öffnen, das schaffen wir wahrscheinlich nicht ohne deine Hilfe. Außerdem brauche ich ein paar Stunden für die Vorbereitungen.«
»Dann hab ich einen freien Tag. Ist doch auch schön.«
»Wenn du dich langweilst, könntest du mir einen Gefallen tun«, erwidere ich. »Es geht um eine kleine private Ermittlung. Schnell gemacht.«
Phil setzt seine Ray-Ban wieder auf und grinst breit. »Dann lass mal hören, Partner.«
Die Vorbereitungen für unsere Luftaufklärung nehmen den ganzen Tag in Anspruch. Zunächst müssen wir das Team zusammenstellen. Es werden nur Kandidaten ausgewählt, die familiäre Verpflichtungen haben. Andernfalls ist zu befürchten, dass einige unserer Kundschafter nicht wiederkommen. Das würde den Zoodirektor dann so richtig auf die Palme bringen. Die Vögel bekommen Lebendfutter als Lohn für ihre Dienste. Die meisten würden den Job wohl auch umsonst machen, nur um mal aus den Volieren rauszukommen.
Schwieriger als die Verhandlungen mit den Vögeln ist es, Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen zu leisten. Pa und Rocky lehnen den Einsatz von Greifvögeln kategorisch ab.
»Es wird eine Panik geben«, prophezeit Pa und hustet trocken. »Genau wie damals in der Savanne. Um ein Haar hätte es mich da auch erwischt.«
»Aber ich habe Ottos Ehrenwort«, erwidere ich schnell, bevor Pa mit seinen Afrikageschichten anfangen kann. »Das Ehrenwort eines Weißkopfseeadlers ist so zuverlässig wie das Stahlgeländer am Nashorngehege.«
»Wer sagt das?«, fragt Rocky argwöhnisch. »Ein Schakal, der dich fressen will, lügt dir auch das Blaue vom Himmel herunter.«
»Schakale lügen immer«, sage ich.
»Selbst wenn Otto hundert Mal verspricht, uns nicht anzugreifen. Ich trau ihm nicht«, beharrt Rocky. »Weil nämlich alle Greifvögel genauso Lügner sind wie die Schakale.«
»Kein Wunder, dass sie uns mit Freuden in Fetzen reißen, wenn wir solchen Quatsch über sie erzählen«, entgegne ich.
Jetzt mischt auch Rufus sich ein. »Die Vögel müssen in kurzer Zeit etwa tausend Wohnungen auskundschaften«, erklärt er. »Je mehr Helfer wir haben, desto besser.«
»Die Greifvögel bleiben, wo sie sind«, erwidert Rocky energisch, und Pa nickt zustimmend.
Nach langem Hin und Her lässt Rocky im Clan abstimmen, ob die Greifvögel vorübergehend befreit werden sollen. Wie zu erwarten, kassieren wir für den Plan eine bittere Niederlage.
»Das wird nicht einfach«, sagt Rufus wenig später, als wir auf dem Weg zum Greifvogelhaus sind. »Ich würde jedenfalls nicht darauf wetten, dass es uns gelingt, mit ein paar Papageien, Strandvögeln und Fasanen tatsächlich den alten von Sieversdorf aufzuspüren.«
Ich schweige. Rufus sieht die Dinge manchmal zu schwarz, aber diesmal könnte er richtig liegen.
»Tut mir leid, aber ihr seid nicht dabei«, sage ich wenig später zu Otto. Der Weißkopfseeadler verzieht keine Miene, ein Blitzen in seinen Augen verrät jedoch, dass er die Entscheidung meines Clans für eine
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