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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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Aber ich warne euch. Wenn ihr mich reinlegen wollt, dann prügele ich euch beide windelweich.«
    »Schatzi! Kommst du bitte mal«, tönt in diesem Moment die Stimme von Roxane aus dem Bau. »Hier ist eine ganz fiese, feuchte Stelle an der Schlafzimmerwand. Das sieht nicht nur voll ekelig aus, das ist bestimmt auch ungesund.«
    Rocky erhebt sich schwerfällig. »Also, keine faulen Tricks, Jungs.«
    Rufus und ich schütteln die Köpfe und beobachten, wie unser Bruder sich zum Bau schleppt. Sieht so aus, als ob er schon jetzt schwer an der Last seines Amtes zu tragen hat. Aber er hat es ja nicht anders gewollt.
    »Coole Nummer, Ray!«, sagt Rufus, als Rocky verschwunden ist. »Ich glaube, jetzt fängt für uns ein ganz neues Leben an.«
    »Mal sehen, wie lange der Frieden hält«, erwidere ich. »Fürs Erste haben wir jedenfalls unsere Ruhe.«
    Rufus nickt. Ich spüre, dass er etwas auf dem Herzen hat. »Alles okay?«
    »Alles bestens«, erwidert mein Bruder. »Ich hab mich nur gerade gefragt, ob du mich noch brauchst. Ich bin da nämlich … gewissermaßen … also ich habe eigentlich … ähm … einen Termin.«
    Schlagartig verstehe ich. »Du hast ’n Rendezvous!«, sage ich erstaunt.
    Rufus weicht meinem Blick aus. »So würde ich es jetzt auch nicht nennen …«
    »Etwa mit Natalie?«
    Rufus wiegt den Kopf hin und her, dann nickt er, ohne mich anzusehen.
    »Unglaublich!«, sage ich. »Mein Bruder vögelt am Tag meiner Beerdigung unsere kleine Schwester!«
    »Es ist anders, als du denkst«, begehrt Rufus auf. »Wir wollten uns nur gegenseitig trösten.«
    »Klar. Ich kann mir schon denken, wie das aussieht«, unke ich.
    Rufus wartet schuldbewusst. So richtig sauer bin ich nicht. Ich weiß ja, was die Liebe so alles mit einem anstellen kann. Und ich weiß auch, dass Rufus mich nicht einfach vergessen hätte, wenn ich wirklich nicht wiedergekommen wäre. Außerdem gönne ich ihm sein Glück. Und Natalie gönne ich es auch.
    »Schon okay. Ich brauch dich heute Abend nicht.«
    »Echt nicht?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Und du bist nicht sauer auf mich?«
    Wieder schüttele ich den Kopf.
    »Super! Wir sehen uns, Bruder!« Rufus umarmt mich schnell, und schon ist er im Bau verschwunden.
    Ich atme durch, lege mich auf den Rücken, strecke alle viere von mir und betrachte das langsame Erblühen des Sternenhimmels.
    »Und? Alles geregelt mit der lieben Familie?«, fragt eine vertraute Stimme aus dem Dunkel. Vor dem Gehege erkenne ich die Umrisse von Phil. Er hebt ein Päckchen in die Höhe. »Ich hab den Stoff besorgt. Von mir aus kann es losgehen.«
    Wenig später stehen Phil und ich am Gehege der Hyänen. Claire ist die Älteste hier und eine lebende Legende. Kein anderes Tier im Zoo ist so viel herumgekommen. Von sich selbst sagt sie, dass sie bereits in allen großen Wildparks der Welt gastiert hat. Durch ihre Erfahrungen auf allen fünf Kontinenten ist Claire die wahrscheinlich einzige Hyäne auf dem Planeten, die eine derart feine Nase entwickelt hat, dass sie einen im Becken der Eisbären aufgelösten Tropfen Blut dem richtigen Zootier zuordnen kann. Ich selbst bin von Claire mal gebeten worden, Kong Genesungswünsche zu übermitteln. Als ich das tat, war der Affenboss überrascht, weil er sich lediglich einen Stachel in den Fuß getreten hatte. Nur wenige Tropfen Blut waren geflossen, aber Claire hatte das bis zur anderen Seite des Zoos gewittert.
    »Ich muss eure Euphorie ein wenig bremsen«, wirft Claire mit ihrer hohen, dünnen Stimme ein. »Je frischer eine Spur, desto größer die Chancen, dass ich sie verfolgen kann. In eurem Fall würde ich mir also keine allzu großen Hoffnungen machen. Das Signal halbiert sich praktisch täglich. Nach wenigen Tagen ist es fast verschwunden.«
    »Dann sollten wir keine Zeit verlieren«, sagt Phil, nachdem ich ihm Claires Einwand aus dem Hyänischen übersetzt habe.
    Claire sieht mich an, ich übersetze Phils Reaktion, und sie nickt. »Kann ich bitte zuvor mein Päckchen haben?«
    Sie hatte um eine Flasche Chanel No. 19 als Lohn für ihre Dienste gebeten. Phil reicht mir den hübsch verpackten Flakon, damit ich ihn ihr weitergeben kann.
    »Könntest du deinen Freund bitten, mir ein paar Tropfen hinter die Ohren zu tupfen, Ray?«
    »Irritiert das nicht deinen Geruchssinn?«, frage ich verblüfft.
    Claire zeigt ihre Zähne. »Doch, aber das ist nicht der Rede wert. Außerdem möchte ich mich heute Abend jung und sexy fühlen.«
    »Gut«, erwidere ich und schicke mich an,

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