Ausgefressen
meine Gedanken. »Wenn wir Hanno von Sieversdorf gefunden haben, kaufe ich tütenweise Skorpione und schmeiß ’ne Party.«
Ich ziele mit der Fingerpistole auf ihn und drücke ab. »Ich nehm dich beim Wort, Partner.«
Rufus kommt müde aus dem Bau geschlichen. Er hat die halbe Nacht vor unserem Smartphone gesessen, um das Areal, in dem wir das Versteck des alten von Sieversdorf vermuten, einzugrenzen. Ich halte diesen Versuch zwar für aussichtlos, aber es wäre nicht das erste Mal, dass mein kleiner Bruder mich überraschen würde.
Die andere Hälfte der Nacht hat Rufus übrigens mit Natalie verbracht. Ich sehe ihm an der Nasenspitze an, dass die beiden eine ziemlich aktive Trauerarbeit geleistet haben. Natürlich streitet Rufus das ab. Wer so verklemmt ist, dass er Beziehungen zwischen Erdmännchenmännern und Chinchillaweibchen als pervers bezeichnet, der spricht auch nicht gern darüber, dass er mit Freuden seine Schwester bumst.
»Ich bin nicht verklemmt, ich finde es nur nicht erstrebenswert, mein Intimleben mit meinem Bruder zu diskutieren«, erwidert Rufus steif.
»Ich will auch gar nicht diskutieren«, sage ich. »Ich will nur wissen, ob unsere flauschige Schwester ’ne scharfe Schnecke ist.«
»Sprich nicht so über Natalie!«, erwidert Rufus mit hysterischem Unterton.
»Schon gut. Reg dich ab«, lenke ich ein. »Ich kann es mir sowieso denken. Reden wir lieber über den Fall. Was hast du rausgekriegt?«
Ich sehe, dass Phil zufrieden nickt. Kein Streit jetzt, wir haben schließlich einen Job zu erledigen, soll das wohl heißen. Ich versuche, die Vorderpfoten so vor der Brust zu verschränken, wie Phil das manchmal mit seinen Armen macht. Klappt bei mir noch nicht ganz so gut, sorgt aber trotzdem für einen professionellen Eindruck, finde ich. »Okay. Schieß los, Bruder! Wir sind gespannt.«
Rufus strafft sich. »Ich habe in der letzten Nacht die uns bekannten Koordinaten mit verschiedenen Datenbanken abgeglichen, um die statistische Wahrscheinlichkeit tangentialer Abweichungen …«
»Rufus?«, hake ich ein.
Mein Bruder schaut von seinen Aufzeichnungen hoch, als hätte ich ihn aus dem Tiefschlaf gerissen. »Was ist denn?«
»Da niemand auf der Welt versteht, was in deinem Hirn vor sich geht, wäre es nett, wenn du auf Details verzichten und uns einfach das Ergebnis deiner Recherchen mitteilen könntest.«
Rufus mustert mich skeptisch.
»Hey! Ich möchte dir auf keinen Fall zu nahe treten, sondern nur ein bisschen Zeit sparen«, füge ich diplomatisch hinzu.
Rufus überlegt kurz. »Okay. Unsere Zielperson befindet sich nach meinen Berechnungen in einem von maximal sechs Hochhäusern.«
Phil nimmt erstaunt seine Ray-Ban ab. »Das klingt ja überschaubar.«
Rufus schüttelt den Kopf. »Ja, aber es klingt nur so. Leider handelt es sich um
sehr große
Hochhäuser.«
»Und wie, zum Teufel, hast du das rausgekriegt?«, frage ich völlig baff.
»Gerade noch hat dich das einen feuchten Dreck interessiert«, blafft Rufus.
»Aber jetzt interessiert es mich eben doch«, blaffe ich zurück.
Rufus ist beleidigt, blättert aber trotzdem in seinen Aufzeichnungen. »In dem zur Debatte stehenden Gebiet gibt es siebenundfünfzig Häuser, von denen ich neunundvierzig überprüfen konnte …«
»Wie denn überprüfen?«, will ich wissen.
»Ich habe die Bewohner erkennungsdienstlich behandelt«, erwidert Rufus.
»Das kann nur die Polizei«, mischt Phil sich ein.
»Ich weiß«, erwidert Rufus. »Deshalb hab mich auch in den Polizeicomputer eingeklinkt.«
Phil und ich sehen uns mit offenen Mündern an.
»Nur bei acht Häusern war das nicht möglich«, fährt Rufus seelenruhig fort. »Die Wohnungen dort werden von Geschäftsleuten genutzt, die vorübergehend in der Stadt sind. Mieter sind irgendwelche Firmen, die wiederum zu internationalen Firmennetzwerken gehören. Jedes einzelne davon müsste ich im Detail durchleuchten, um irgendwann auf einen Namen zu stoßen, der einen Bezug zu Bea oder zu Hanno von Sieversdorf hat. Aber das kann Wochen dauern, vielleicht sogar Monate.«
»Warum hast du uns nicht gesagt, dass du dich in den Polizeicomputer einklinken kannst?«, frage ich. »Das hätte uns einiges erleichtert.«
»Ganz einfach. Ich habe es erst letzte Nacht geschafft, den Polizeicomputer zu knacken«, erwidert Rufus mit hämischem Unterton.
Gerade fehlt mir die Zeit, ihn noch ein bisschen mit Natalie aufzuziehen, aber das werde ich bestimmt nachholen.
Ȇber wie viele Parteien reden wir
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