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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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Unverschämtheit hält. Ich kann es ihm nicht verdenken.
    »Aha«, sagt er nach langem Schweigen. »Und … ist denn der Andenkondor dabei?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Das heißt, sämtliche Geier sind ebenfalls draußen?«
    Ich nicke.
    »Und die Kormorane?«, will Otto wissen.
    »Die haben eine knappe Mehrheit bekommen, weil sie nur Fische fressen«, erkläre ich unbehaglich.
    Otto öffnet seinen Hakenschnabel und stößt einen kurzen, schrillen Schrei aus. Das tut er, um mir klarzumachen, dass er jetzt verächtlich lachen würde, wenn er es könnte.
    »Otto, tut mir wirklich leid, aber es ist nicht meine …«, beginne ich.
    »Schon gut«, unterbricht Otto. »Ich verstehe die Bedenken deiner Leute. Wenn das Wort eines Weißkopfseeadlers in Erdmännchenkreisen nichts mehr gilt, ist das trotzdem eine herbe Enttäuschung.«
    »Kann ich verstehen, und ich hab mich wirklich …«, versuche ich einen neuen Anlauf, aber wieder unterbricht mich der König der Lüfte.
    »Ich weiß, dass es nicht an dir liegt, Ray. Und du musst dich auch nicht für deine Familie entschuldigen. Danke für dein Kommen.«
    Er dreht den Kopf zur Seite. Im gleichen Moment flattert ein Dutzend Buntfalken herbei. Der König der Lüfte verschwindet hinter einem Gewirr aus farbenprächtigen Flügeln und Körpern. Sieht aus, als hätte jemand einen flirrenden Vorhang zugezogen und damit die Audienz für beendet erklärt.
    Betreten trotten Rufus und ich zum Flamingogehege. Wäre schön gewesen, die Greifvögel mit an Bord zu haben. Für einen Kundschafterjob sind sie naturgemäß die erste Wahl, was man von Papageien, Fasanen und Strandvögeln nicht behaupten kann.
    »Hallo, ihr beiden«, begrüßt uns ein Flamingo, als wir auf unseren Geheimgang zusteuern.
    Rufus und ich heben zum Gruß die Vorderpfoten und wollen weitergehen, aber da meldet sich ein zweiter Flamingo zu Wort. »Wir müssten mal mit euch reden.«
    Rufus und ich sehen uns erstaunt an.
    »Wir möchten nämlich wissen, warum wir nicht dabei sind«, ruft ein dritter Flamingo vorwitzig. Überall im Gehege hört man zustimmendes Gemurmel.
    »Warum ihr nicht wobei seid?«, frage ich.
    »Wir haben gehört, dass du eine Sache planst, bei der die Vögel mitmachen sollen. Nur wir sind nicht gefragt worden.« Dieser Zwischenruf kam von irgendwo weiter hinten.
    Ein kurzes Schweigen. Man wartet auf eine Antwort.
    »Wir brauchen Vögel, die fliegen können«, erklärt Rufus und wirft mir einen verschwörerischen Blick zu. »Wie jeder weiß, werden Flamingos in Gefangenschaft die Flügel gestutzt. Ihr könnt also leider nicht fliegen.«
    Ein aufgeregtes Gemurmel geht durch die Reihen.
    Ich nicke beeindruckt und flüstere: »Wusste ich gar nicht.«
    »Stimmt auch nur halb«, flüstert Rufus zurück. »Zwar werden Flamingos tatsächlich die Flügel gestutzt, aber die hier könnten fliegen. Sie haben nur hier drinnen nicht genug Anlauf, um abzuheben.«
    Manchmal ist mein Bruder ein ausgekochtes Schlitzohr. Die Wahrheit ist, dass wir die Flamingos nicht um Hilfe bitten wollten, weil sie alle zusammen noch weniger in der Birne haben als Roxane. Und das will echt was heißen. Außerdem würde ein Flamingoschwarm über einer Großstadt für mächtig viel Aufsehen sorgen. Wenn wir unsere rosa Freunde als Kundschafter einsetzen, können wir also auch gleich die Presse anrufen.
    Die Flamingos stehen immer noch da und tuscheln. Rufus und ich warten geduldig auf das Ergebnis der Beratungen.
    Schließlich tritt einer der Flamingos vor. »Wir wollen dann aber demnächst gefragt werden, wenn was geplant ist, wo man Vögel braucht, die nicht fliegen können«, verkündet er.
    Rufus und ich nicken ernst.
    »Es wird uns eine Ehre sein«, lüge ich in die Abenddämmerung.
    Der Flamingo scheint zufrieden und gesellt sich wieder zu den anderen.
    »Hier seid ihr also!«, höre ich in diesem Moment Phil rufen. »Ich habe euch schon überall gesucht.« Die Vorfreude ist ihm anzusehen. »Was ist? Wann kann es losgehen?«
    Als sich wenige Papageien, ein paar Fasanen und einige Strandvögel in die Lüfte erheben, ist Phils Vorfreude einer plötzlichen Ernüchterung gewichen. Ungläubig schaut er unseren Kundschaftern hinterher. »Ist das etwa … die gesamte … Luftaufklärung?«
    Wir nicken. Rufus zieht eine Liste hervor. »Die Kormorane haben sehr kurzfristig doch noch abgesagt, weil sie sich mit den Greifvögeln solidarisieren. Die Sumpfvögel wollten als Lohn für ihre Dienste ein neues Sumpfgebiet. Das können wir

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