Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
für die Mitarbeiter und bei den Arbeitsbedingungen geizen, und sie müssen so geizig wie möglich mit den Zulieferern verhandeln. Diese Unternehmen wollen prinzipiell so viel bekommen, wie es nur irgendwie geht: So viel Stückzahlen wie möglich in der Produktion, so viel Arbeitskraft wie möglich von den Mitarbeitern, so viele erfüllte Forderungen an die Zulieferer wie möglich. Und gleichzeitig wollen sie so wenig wie möglich dafür ausgeben: minimale Produktionskosten, minimale Lohnkosten, minimale Kosten für »Lieferungen & Leistungen«. So viel wie möglich haben, so wenig wie möglich geben: Gier und Geiz.
Das ist inzwischen weit verbreitete Realität in unserer Wirtschaft. Was da überall passiert: Der Geist des Unternehmens zieht sich zurück aus den Verkaufsstellen, aus den Produktionsstätten, aus den Orten, wo die eigentliche Wertschöpfung stattfindet, und er materialisiert sich stattdessen in den Firmenzentralen in den oberen Stockwerken in den Büros, an den Schreibtischen, in den Computern einer ganz bestimmten Klasse von Managern. Dort wird gerechnet, außen vor der Tür auf dem Flur steht ein Schild: Controlling. Hierhin zieht sich der Geist des Unternehmens zurück und fokussiert sich auf das scheinbar Wesentliche: auf die Zahlen. Alles andere wird damit zum Unwesentlichen. Die Kundenbeziehung, der Nutzen des Produkts, die Lieferantenbeziehungen, die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die Umweltverträglichkeit, die Fairness im Allgemeinen, die Nachhaltigkeit – alles unwesentlich, denn all das ist nicht in Zahlen darstellbar. Man kann Fairness nicht ausrechnen.
Na, gut, aber gehört nicht das Rechnen zum Geschäftsleben einfach dazu? Ist es denn unvernünftig, die Kosten im Zaum zu halten und die Zahlen zu optimieren? Und müssen das nicht alle machen, um überhaupt im Rennen zu bleiben? Das ist alles richtig. Und unter uns: Als Manager habe ich Zahlen geliebt. Es geht nichts über ein paar gut gemachte Kennzahlen, die es dem Management erlauben, in kürzester Zeit den Überblick zu behalten. Aber das enthebt das Management nicht der Aufgabe, die Zahlen zu interpretieren, die Realität hinter den Zahlen zu verstehen, über die Zahlen hinauszudenken. Die einseitige Betrachtung von Zahlen als Ansatzpunkt für Einsparungen bringt nur kurzfristig ein Erfolgserlebnis für den Controller und die selbst ernannten »Kostenkiller«, denn die Welt ist nicht statisch und zweidimensional wie eine Tabellenkalkulation. Kosten zu drücken ist der sicherste Weg zum kurzfristigen Erfolg und noch dazu der einfachste. Es ist viel einfacher, als mutig und kreativ zu sein. Aber mit dem Regiment der Kostenkiller beginnt meistens auch der Abstieg. Jede Einsparung auf dem Papier hat komplexe Auswirkungen in der Realität, und darum hat die zwanghafte Suche nach den niedrigsten Kosten langfristig furchtbare Nebenwirkungen: Es passiert das Gleiche wie bei den Monokulturen.
Buchdruckerwirtschaft
Monokulturen sind billig. Vor allem, weil sie in jeder Hinsicht leicht zu managen sind. In der Forstwirtschaft war jahrzehntelang (und ist zum Teil heute noch) die bevorzugte Monokultur der Fichtenreinbestand, unter Förstern auch abfällig »Fichtenacker« genannt: Mit großen Maschinen wird eine Fläche abgeräumt und planiert, sodass dort mit weiteren großen Maschinen ungehindert gearbeitet werden kann. Dann werden geometrische Pflanzenverbände gesetzt. Alles ist perfekt optimiert: Jede Pflanze erhält exakt den genau berechneten Standraum, mit dem der Ertrag pro Fläche insgesamt am höchsten ist, ganz nach dem aktuellen Stand der Forschung. Werden die Bäume zu eng gesetzt, bekommen sie zu wenig Licht, Wasser und Nährstoffe und produzieren zu wenig Biomasse pro Zeit. Wird aber zu viel Platz verschenkt, sinkt der Ertrag pro Fläche. Eine Rechenaufgabe, um den Profit zu maximieren.
In solchen Fichtenmonokulturen wächst in unseren Breiten pro Jahr definitiv mehr verwertbares Holz als in jeder anderen Bewirtschaftungsform, der Flächenertrag ist maximal. Und es kann viel leichter gemanagt, gepflegt, bearbeitet und geerntet werden: Monokulturen mit geraden geometrischen Linien sind maschinenfreundlich. Und maschinenfreundlich heißt übersetzt in die Controllersprache: Das spart Kosten.
Nicht anders verfährt man ja auch in der Landwirtschaft: Am Ende des Ackers muss der Landwirt mit dem Traktor umdrehen. Da verliert er jedes Mal Zeit. Also werden zwei Äcker zusammengelegt und die Hecke dazwischen einfach rausgerissen.
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