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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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ungestörte Pause zu machen. Es wird immer mehr in Projekten gearbeitet, es gibt immer mehr Deadlines, immer mehr Kommunikation, immer mehr Parallelität von Aufgaben und Verantwortung. Telefonkonferenzen um 22:00 Uhr, weil ein Gesprächspartner (der Controller des Mutterkonzerns?) in den USA sitzt, ständige Unterbrechungen durch permanente Kommunikation auf allen Kanälen, Meetings ohne Pause über fünf Stunden am Stück, wer mal muss, geht eben kurz raus. Anrufe mit dem Tenor: »Warum melden Sie sich denn nicht? Ich hatte Ihnen doch vor einer halben Stunde eine E-Mail geschickt!«
    Weil die Firmen unter dem immensen Kostendruck in Zeiten schwacher Konjunktur sofort Hand an die Personalkosten legen müssen und sich gerade in Deutschland aufgrund der geltenden Gesetze schwertun, Leute zu entlassen, werden in konjunkturell stärkeren Zeiten eben erst gar keine neuen Arbeitskräfte mehr eingestellt, sondern wird stattdessen das Potenzial der vorhandenen Mitarbeiter immer weiter ausgereizt. Abgesehen davon sind die Stellen für die Unternehmen auch immer schwerer qualifiziert zu besetzen, denn der Arbeitsmarkt trocknet aus – und die wirklich geburtenschwachen Jahrgänge kommen erst noch … Die Folge jedenfalls: immenser Druck auf die Übriggebliebenen.
    Die Ergebnisse sind tatsächlich beeindruckend. Die Arbeitsproduktivität nimmt stetig zu, im Durchschnitt leistet heute eine Arbeitskraft pro Stunde dreieinhalbmal so viel wie noch vor fünfzig Jahren. Herzlichen Dank an alle Ausgepowerten: Auf euch beruht unser Wohlstand! Nur – wie lange noch?
    Was ich erlebe: Immer mehr Menschen, die ich im Geschäftsleben treffe, gehören eigentlich in ärztliche Behandlung. Zitternde Hände. Depressive Verstimmungen. Einschlafen im Meeting. Unkonzentrierte Gesprächsführung, kaum fähig zum Zuhören. Mörderischer Bluthochdruck. Ein Immunsystem, das es noch genau so lange schafft, die Krankheit fernzuhalten, bis das nächste Mal zwei Tage Pause ist. Tinnitus, Hörsturz – Kopfarbeit mutiert mitunter zur Körperverletzung.
    Einer erzählte mir, dass er seinen Blackberry als Wecker neben dem Bett liegen hat. Die Symbolik ist beißend: Die Arbeit begleitet ihn sogar beim Schlafen. Er beschwerte sich darüber, dass das Ding ständig blinkt und er darum nicht richtig schlafen kann. Auf die Idee, den Blackberry abzuschalten und einen normalen Wecker zu verwenden, kam er bereits nicht mehr, der Blackberry hatte schon zu viel Macht in seinem Leben, der Anspruch war einfach da: 24 Stunden Erreichbarkeit. Früher musste man sich darum bemühen, erreichbar zu sein, während man heute Klimmzüge veranstalten muss, um mal nicht erreichbar zu sein. Und das ist nicht nur technisch gemeint: Man braucht inzwischen auch einiges Standing, um mal nicht erreichbar zu sein. Die Sache hat sich entschieden gedreht.
    Die Buchdruckerkultur hat stark expansiven Charakter, sie sorgt dafür, dass sich der Arbeitsstress über den ganzen Tag, die ganze Woche, das ganze Leben ausbreitet. Der Stress expandiert aber auch geografisch über alle Grenzen: Das nennen wir dann Globalisierung.
    Selbst Apple produziert doch heute in China!

    Die Produktion hier bei uns ist zu teuer, wir müssen die Herstellung nach Fernost verlagern! Zu diesem Urteil kommen seit Jahrzehnten und bis heute Manager in den westlichen Hochlohnländern. Dieser stiere Blick auf die Produktionskosten ist vielleicht
die
treibende Kraft hinter dem, was wir heute unter Globalisierung im Allgemeinen verstehen. Die Optimierung dieses einen Postens in der Kalkulation der Produkte führt dazu, dass das iPhone von Apple zwar »Designed in California« aber »Assembled in China« wird.
    Natürlich sind die Traumrenditen von Apple bei über 20 Prozent vom Umsatz bei Umsätzen von demnächst über 100 Milliarden US-Dollar nicht nur eine Folge von kostengünstiger Produktion, sondern in erster Linie von genialem Produktmarketing und atemberaubendem Produktdesign. Aber die Renditen wären nicht so exorbitant hoch, dass jeder Investor auf der Welt sich darum prügeln würde, sein Geld Apple leihen zu dürfen (sofern die denn welches bräuchten), wenn Apple nicht so gut darin wäre, auf der Klaviatur der Globalisierung zu spielen.
    Weltweite Arbeitsteilung bedeutet heute vor allem: finanziert in New York, London und Frankfurt; gemanagt, gesteuert und beauftragt in den Konzernzentralen in Nordamerika und Westeuropa; hergestellt, zusammengebaut und verpackt in Osteuropa, im Nahen Osten und in Fernost;

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