Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
nichts gesehen.“
Ich seufzte. Bis Mitternacht musste meine Story fertig sein. Ganz langsam und überdeutlich fragte ich sie noch einmal:
„Ha-ben Sie die Schnur am Schein-wer-fer ge-se-hen?“ Idiotisch. Sie konnte mich sehr gut verstehen, und sie war auch nicht schwerhörig. Sie hatte nur wahrscheinlich schon genug Ärger am Hals.
„Ich weiß nix. Bitte, Frau, ich weiß nix.“
„Also war da keine Schnur?“
„Was für Schnur?“
Das konnte ich vergessen. „Oder ist Ihnen sonst etwas im Zimmer mit dem Scheinwerfer aufgefallen?“
„Scheinwerfer.“
Ach so, den hatte sie wenigstens bemerkt. Wir saßen im Umkleideraum der Putztrupps. Metallspinde auf beiden Seiten, in der Mitte ein kleiner, rechteckiger Resopaltisch mit harten Holzstühlen.
„Putzen Sie schon lange da?“
„Nicht lange, Papiere in Ordnung. Alles in Ordnung.“
„Das glaube ich ja. Das ist mir übrigens auch egal. Aber …“
Eine dünne Frau um die fünfzig kam herein, auch sie trug einen grauen Kittel.
„Wer ist das, Draga?“, fragte sie scharf.
Ich stand auf. „Ich wollte nur kurz mit ihr reden, sie hat das Zimmer von Langthaler sauber gemacht, das ist der Regisseur, der …“
„Ich weiß, wer Langthaler ist. Schließlich habe ich lange genug beim Sender gearbeitet.“
„Und jetzt?“
„Ich durfte in die Leihfirma übersiedeln. Ein Glück für eine Frau über fünfzig. Nahezu sozial. Worum geht es?“
Ich erklärte es ihr. Sie war bei einem anderen Trupp und hatte das Büro des Regisseurs schon lange nicht mehr von innen gesehen. Sie setzte sich mit einem Ächzen nieder. Ich setzte mich auch.
„Ich bin dem Sender nichts schuldig, gar nichts. Wissen Sie wie es ist, wenn man nach zwölf Dienstjahren plötzlich die Möglichkeit hat, zu gehen oder das Gleiche wie bisher um die Hälfte des Geldes zu machen?“
Ich nickte.
„Nein, das wissen Sie nicht. Sie können es gar nicht wissen.“
Ich wusste es nicht.
„Langthaler war einer von den Terroristen. Er hat einen ganz genauen Katalog aufgestellt, was wir putzen müssen und was wir nicht einmal angreifen dürfen. Und bei der kleinsten Kleinigkeit hat er sich beschwert. Draga weiß, warum sie lieber nichts weiß. Letztes Jahr hat er dafür gesorgt, dass eine von uns hinausgeflogen ist. Unsere Trupps putzen fast nur im Sender, und wenn jemand nicht mehr erwünscht ist, wird rasch gekündigt. Unsere damalige Kollegin hat erzählt, wie Langthaler in der Nacht völlig betrunken auf einer jungen Frau herumgeturnt ist. Auf seinem Schreibtisch. Die Frau hat sich gewehrt, zumindest hat unsere Kollegin das erzählt. Der Scheinwerfer war aufgedreht. Deswegen ist es der Kollegin auch aufgefallen. Sein Zimmer war noch nicht an der Reihe, aber das grelle Licht durch den Türschlitz hat sie dazu gebracht nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Unsere Kollegin ist also hinein und hat sich geräuspert. Der Langthaler ist von der Frau runter und auf sie los. Er muss ihr gedroht haben, aber sie hat es trotzdem herumerzählt. Es hat daraufhin eine Untersuchung gegeben. Das Ergebnis war allerdings: Langthaler wurde nicht hinausgeworfen, sondern unsere Kollegin. Weil sie sich angeblich in seine Privatsphäre eingeschlichen hat.“
Wer war Langthalers Opfer gewesen? Offenbar gab es eine Reihe von Menschen, die über den Tod Langthalers nicht besonders unglücklich sein konnten.
„Und was ist aus ihrer Kollegin geworden?“
Die Putzfrau zuckte mit den Schultern. „Ich habe nie mehr etwas von ihr gehört. Sie war schon über vierzig, leicht wird sie es nicht gehabt haben, etwas Neues zu finden.“
Ich würde versuchen, sie aufzustöbern. Und auch die Frau, die Langthaler auf den Schreibtisch gezerrt hatte. Eine gute Idee, ihn mit dem Scheinwerfer zu erschlagen. Beide mussten zumindest den Wunsch danach verspürt haben.
„Den Scheinwerfer durften wir übrigens nicht einmal angreifen.“ Zum ersten Mal gab es auch eine eindeutige Reaktion von Draga. Sie nickte heftig.
„Er hat gesagt, wenn er merkt, dass wir den Scheinwerfer angegriffen haben, bindet er uns auf einem Stuhl fest und lässt uns so lange in das Scheinwerferlicht schauen, bis wir blind sind.“
„So ein Unsinn!“
„Natürlich. Aber ganz genau hat man bei ihm nie gewusst …“
Ich wandte mich noch einmal an Draga. „Sie haben also die Schnur am Scheinwerfer nicht gesehen?“
„Nichts gesehen. Keine Schnur.“
Ich seufzte und sah ihre Kollegin an.
„Draga ist in Ordnung, aber sie ist lieber vorsichtig. Und
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