Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
ruhig mit ihrem Sohn Hannes. »Er ist ein sehr verständiges Kind«, meint sie und seufzt. »Aber erste Anzeichen der Pubertät sind schon da.«
Damit uns die Stille nicht erdrückt, frage ich Billy, ob sie Daniel Capriati kennt.
»Vom Sehen«, erwidert sie ohne Interesse, »er soll gut sein.«
7.
Der Apfelbaum hat wieder geöffnet, die drei Bürgermeister befinden sich auf dem Weg der Besserung. Das Publikum des Lokals aber hat sich gewandelt. Zum überwiegenden Teil haben wir es nun mit Schaulustigen zu tun. Sie bestellen nur, was ihnen sicher erscheint. Ich versuche, Billy aus ihrer Depression zu holen. Sie hat sich bemüht, Manninger zu erreichen, aber er ist irgendwo in New Jersey auf Urlaub und leistet sich den Luxus, kein Mobiltelefon mitzunehmen, keine Adresse anzugeben. Im Hotelsekretariat verspricht man Billy, ihm, sobald er sich meldet, Bescheid zu geben.
Das Klima in der Küche, aber auch im Service ist angespannt. Jeden Moment erwartet man einen neuen Angriff, eine neue Katastrophe. Billy hat drei Kilo abgenommen und gibt nicht eben eine Werbung für ihr Lokal ab. Ich überrede sie, am kommenden Montag mit Hannes in den Tiergarten zu gehen. Ich hingegen muss an diesem Tag meine Reportage abliefern. Viel mehr als meine Kollegen weiß ich immer noch nicht.
Am Sonntagabend haben wir bloß zwölf Gäste. Onkel Franz versucht Billy damit zu trösten, dass er sich auch aus früheren Zeiten an so schlechte Sonntagabende erinnern könne.
»Nicht bei Manninger.«
»Natürlich auch bei Manninger. Was glauben Sie denn? Selbst Manninger hat kämpfen müssen, als er das Lokal übernommen hat. Und er hat gezweifelt, ob er es schafft. Und er ist von den Kritikern viel zu schlecht bewertet worden, weil er eben nicht mehr dasselbe gemacht hat wie alle anderen.«
Billy lächelt etwas. »Das sagen Sie nur, um mich aufzuheitern.«
Onkel Franz spielt auf empört. »Was sollte es Sie aufheitern, dass es dem Manninger schlecht gegangen ist? Ich weiß nicht …«
Ich muss raus oder ich ersticke. Daniel Capriati habe ich beinahe vergessen. Etwas abrupt verabschiede ich mich. Das ist vielleicht nicht besonders solidarisch, aber was bringt es, wenn eine mehr Trübsal bläst?
Auch Daniel Capriatis Lokal ist alles andere als voll. Es hat ohnehin nur fünfundvierzig Plätze, jetzt, um zehn Uhr abends, sind weniger als die Hälfte besetzt. Zum ersten Mal seit Tagen bekomme ich Hunger. Die junge braunhaarige Kellnerin ist gerne bereit, mir auch jetzt noch die Speisekarte zu bringen.
»Ist Daniel Capriati da?«, frage ich.
»Soll ich nachsehen, ob er kurz herauskommen kann?«
Ich habe in den letzten Wochen einiges gelernt, also erwidere ich: »Wenn das Küchengeschäft vorbei ist, würde ich mich freuen, mit ihm reden zu können. Ich hab keine Eile.«
Die Trilogie vom Tunfisch ist großartig, davon muss ich Billy erzählen. Für einige glückliche Momente vergesse ich die ganze Misere.
Es wird abserviert, Daniel Capriati kommt aus der Küche und sieht sich suchend um. Er trägt Schwarz – wohl, um sich von den Köchen mit ihrer klassischen weißen Uniform abzuheben. Jeans, T-Shirt und eine Kochschürze mit der Aufschrift OFFEN. So heißt sein Lokal. Er sieht noch jünger aus als auf den Fotos. Ich nicke ihm zu, und er reagiert verunsichert. Natürlich, er hat ein bekanntes Gesicht erwartet.
»Sie wollten mich sprechen?«, fragt er schüchtern, so als ob ich ihn zu einem ganz anderen Zweck an den Tisch gebeten hätte.
Ich lächle, nicke. »Ich soll Sie von Billy Winter grüßen lassen. Ich – arbeite mit ihr in der Küche.« Etwas Besseres ist mir nicht eingefallen. Wider Erwarten reagiert er darauf erfreut.
»Billy Winter? Meine Güte, das ist lange her. Ich weiß, dass sie erst vor kurzem vom Royal Grand weggegangen ist, um …« Jetzt fällt ihm wieder ein, was er in den vergangenen Wochen über sie gehört und gelesen hat. »Sie hat ja ziemliches Pech …«
»So könnte man es auch nennen.«
»Wie geht es ihr? Ich hab sie sehr bewundert vor Jahren.«
Billy hat sich gar nicht an den hübschen Koch erinnert. Seltsam.
»Ich hab im Royal Grand mit neunzehn ein Praktikum gemacht, sie war damals gerade erst dreiundzwanzig und kurz davor zur jüngsten Souschefin befördert worden. Und sie war gut. Sehr gut. Ist sie sicher jetzt auch noch.«
»Inzwischen haben Sie es auf zwei Sterne gebracht.«
Daniel Capriati seufzt. »Darf ich mich für einen Moment setzen?«
»Auch für zwei.«
Er sieht einfach hinreißend
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