Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
schon gepackt, das Küchenfieber.«
Ich grinse zurück. Gerade damit hat er mich allerdings an meinen Hauptberuf erinnert.
»Ich schreibe eine Reportage über den Mord an Bachmayer, die seltsamen Vorfälle bei Billy und so weiter. Darf ich auch über das schreiben, was Ihnen passiert ist?«
Capriati überlegt. »Ich weiß nicht … Auf der einen Seite will ich nicht, dass darüber noch mehr in den Medien steht. Auf der anderen Seite … Sie haben alle über die Salmonellengeschichte geschrieben, als ob die Hühner tatsächlich von mir gewesen wären … Wenn da einmal die Wahrheit zu lesen wäre …«
»Ich fasse das, was Sie mir erzählt haben, zusammen, wahrscheinlich in Form eines kurzen Interviews, und schicke Ihnen den Text zur Kontrolle. Ist das in Ordnung?«
»Sie werden es schon richtig machen …«
Danke für die Blumen, mit dieser Vertrauensseligkeit wird er es nicht sehr weit bringen. Andererseits: Zwei Sterne hat er schon. Dennoch bestehe ich darauf, ihm meinen Text zu schicken, es wäre zu schade, wenn der nette Typ anschließend beleidigt wäre.
»Sie werden Verbindungen zwischen den Vorfällen im Apfelbaum und im Offen herstellen?«
Dumm ist er nicht. »Ja, doch nicht zu direkt. Immerhin gibt es diese Möglichkeit …«
Weniger vornehm ausgedrückt könnte man das, was ich vorhabe, auch »wilde Spekulationen« nennen. Aber etwas Besseres habe ich im Moment nicht.
Als ich auf die nächtliche Gasse trete, meldet mein Mobiltelefon eine Message. Oskar ist keiner, der allzu häufig SMS sendet, er findet, seine Finger sind zu groß für diese kleinen Tasten. Jetzt aber hat er es getan: »Will dich seit 2 Std. erreichen, wo bist du? Bitte sei vorsichtig! DEIN Oskar.«
Capriatis Innenarchitekt hat dafür gesorgt, dass Mobiltelefone nur im Vorraum des Lokals funktionieren. An sich eine gute Idee. Ich stelle fest, dass Oskar insgesamt sechsmal versucht hat anzurufen. Natürlich habe ich ihm von den Entwicklungen im Apfelbaum erzählt. Jetzt macht er sich Sorgen. Auf der einen Seite finde ich es rührend, ich bin es immer noch nicht gewohnt, dass sich jemand um mich sorgt. Auf der anderen Seite ist es stressig. Ich weiß schon, was ich tue – weiß ich es wirklich?
Jedenfalls rufe ich sofort zurück. Oskar muss das Telefon unmittelbar neben sich liegen haben, so schnell hebt er ab.
Ich erzähle ihm vom Offen, allerdings ohne allzu sehr auf Daniel Capriatis optische Vorzüge hinzuweisen, dafür lobe ich die Tunfischtrilogie umso mehr.
»Iss nichts, was dir nicht sicher vorkommt. Geh nicht allein aus dem Wirtshaus. Versuche die Polizei dazu zu bringen, ab und zu im Apfelbaum nachzusehen.«
Ich seufze. Inzwischen bin ich bei meinem Auto angekommen und steige ein. Am Sonntag gegen Mitternacht ist in Wien selbst im Sommer nicht viel los. Weit und breit bin ich der einzige Mensch auf der Gasse. Was, wenn jetzt …? Unsinn, Mira, lass dich nicht von Oskars Ängstlichkeit anstecken. Wer immer Billy und vielleicht auch Capriati übel mitspielt – auf dich hat er oder sie es nicht abgesehen.
Ich beantworte Oskars Aufforderungen also alle brav mit Ja. Kriminalbeamte haben wir ohnehin schon genug im Haus, an die Sache mit dem »Freund und Helfer« glaube ich nur bedingt. Vor allem: Wie soll man immer genau unterscheiden, wann sie »Freund und Helfer« sind und wann sie nur Ärger machen wollen?
Schön wäre es schon, wenn Oskar jetzt hier wäre. Ich sage es ihm und male detailreich aus, wie es wäre, jetzt in seine Dachwohnung zu fahren, anzukommen, mit ihm …
Oskar meint, er würde schon ganz rot und dass er mich auch ganz schrecklich vermisse. Ich starte den Motor, wir reden noch eine Zeit lang über dies und jenes, um keine allzu sentimentale Stimmung aufkommen zu lassen. Vielleicht schaffe er es am nächsten Wochenende, nach Wien zu fliegen. Oder vielleicht fliege ich … Mal sehen, was rund um den Apfelbaum passiert.
Diesen Montag nehme ich nur kurz an der Redaktionskonferenz teil. Ich muss aufpassen, dass mir die Bachmayer-Story mit allem Drumherum erhalten bleibt. Ich bitte den Chefredakteur, mir gleich am Anfang das Wort zu geben, denn erst gestern Nacht hätte ich neues, interessantes Material bekommen, also müsse ich heute die gesamte Story umschreiben. Er braucht ja nicht zu wissen, dass ich noch gar nicht angefangen habe. Ich bin eine schnelle Schreiberin, zum Glück. Der Chefredakteur willigt ein, ich erzähle kurz über die vielen Feinde von Bachmayer, streife seine Homosexualität,
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