Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
ausreichender Menge vorbereitet sind.
»Das habe ich schon gemacht«, sagt Billy. »Auf die Pilzlieferung warten wir immer noch, wenn sie nicht bald kommt, sind wir aufgeschmissen. Der Krebsfond muss abgeseiht werden, dann aufkochen, mit etwas Stärkemehl abziehen. Okay? Die meisten Bürgermeister haben sich ohnehin für den Kalbsrücken entschieden. Mit sautierten Steinpilzen. Leider. Hol aus dem Kühlraum den Kalbsjus, außerdem unsere Kartoffelnudeln.«
Ich nicke und eile. Vor zwei Jahren war ich einmal in einem Kühlraum eingesperrt, mit weniger Glück wäre ich erfroren. Hier gibt es Licht und auch innen einen Hebel, mit dem man die Tür öffnen kann. Trotzdem beschleicht mich immer wieder ein ungutes Gefühl, wenn ich die Kühlzelle betrete. Ich gehe zum Regal, auf dem die Saucen stehen. Vier Kübel mit Plastikfolie darüber. Die Kälte hat ihren Inhalt zu einer mehr oder weniger festen Masse werden lassen. Das ganz Dunkle ist ein Wildjus, das weiß ich. Das Rötliche ein Schweinsjus. Aber welcher der beiden anderen ist der Kalbsjus? Die Zeit drängt. Ich koste beide. Ist es die Kälte, oder schmecke ich viel weniger, als ich mir immer eingebildet habe? Keine Ahnung, welches der Kalbsjus ist. Ich greife mir beide Kübel und trage sie in die Küche.
Billy telefoniert gerade im Schankraum. Jetzt kann ich sie nicht fragen. Aber auch im helleren Licht der Küche erkenne ich nicht, welche Sauce die richtige ist. Unsere Wirtin schießt wieder herein, kontrolliert das Marillenparfait, an dem Mahmet arbeitet, bittet Vesna, gekochte Kartoffeln zu schälen. Ich renne hinter ihr her. Sie schaut in beide Kübel, deutet auf den mit dem helleren Inhalt und sagt: »Der. Und wo sind die Erdäpfelnudeln? Wenn wir uns jetzt nicht beeilen, schaffen wir’s nie.«
Ich hetze zurück in den Kühlraum, auf halbem Weg fällt mir ein, dass ich gleich den Jus hätte mitnehmen können, Billy kommt mir mit beiden Kübeln entgegen.
»Ich hab die nötige Menge schon umgeleert.«
Ich nehme ihr die Last ab, hole die Kartoffelnudeln.
Onkel Franz lässt uns wissen, dass die ersten Bürgermeister schon eingetroffen sind. Sie bekommen auf der Terrasse einen Aperitif serviert, die Praktikantin wird Appetithappen reichen: winzig kleine Strudelstücke, mit einer Hühnerfarce gefüllt, Weißbrotscheibchen mit Kalbsleber, mit Käse gefüllte heimische Weinblätter. Wann Billy das alles vorbereitet hat, weiß ich nicht. Ich helfe ihr jedenfalls, kleine Tellerchen herzurichten und auf Tabletts zu laden. Die Pilzlieferung ist immer noch nicht da. Dafür stellt sich heraus, dass statt vierzig Bürgermeistern sechsundvierzig gekommen sind.
Billy tut das bloß mit einer Handbewegung ab, besser mehr als weniger Geschäft, das werde auch noch ausreichen.
Die Arbeitsfläche auf der einen Seite der Küche ist in Windeseile abgeräumt, überall, wo es geht, werden die großen weißen Teller platziert. Siebzehn Personen bekommen gebackenen Kaninchenrücken auf Salat, fünfzehn Tomatenterrine mit Lachstatar, die restlichen vierzehn haben sich für ein Kalbscarpaccio mit Kapern entschieden. Die Kaninchenrücken werden in Mehl gewendet und dann durch den Backteig gezogen. Billy befiehlt, sie in die Fritteuse zu legen. Mahmet richtet den Salat an, ich häufe Lachstatar auf und fluche im Stillen darüber, wie ungeschickt man mit einem lädierten Daumen ist. Vesna legt die Tomatenterrine dazu, Billy zieht eine Spur mit dem grünen Rucolaöl. An den Rand kommt noch ein Ananassalbeiblatt, darum kümmert sich die Abwäscherin. Die erste Vorspeise geht hinaus, schon werden die nächsten Teller hergerichtet, hauchdünne Kalbfleischscheiben und Tunfisch-Sardellen-Kapernmarinade werden verteilt.
Wir gießen gerade die Suppe ein, als die Pilzlieferung endlich kommt. Ohne sich vom Herd zu bewegen, faucht Billy Winter den Lieferanten an.
»Nicht gewusst, dass das Zeug für früher bestellt war«, sagt er mundfaul.
Trotzdem, so viel Zeit, um die Pilze nachzuwiegen, muss sein.
»Bescheißen lass ich mich nicht auch noch«, meint Billy. Kraftausdrücke nimmt sie selten in den Mund. Wohl ein Zeichen, wie angespannt sie ist. Die Menge passt, die Abwäscherin und ich erhalten den Befehl, schnellstens eine Kiste Steinpilze zu putzen. Rund um uns hantiert der Rest der Belegschaft mit den heißen Suppen, ich putze wie um mein Leben, zweimal stoße ich mit der Spitze meines verletzten Daumens so an das Brett, dass ich Sterne sehe. Dann sind die Suppen draußen, Billy stellt
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