Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
sonst?«
Daniel sieht uns gequält an. »Wenn ich das wüsste …«
»Ich werde herausfinden, wer das geschrieben hat«, verspreche ich. Ob ich allerdings auch klären kann, woher die Information gekommen ist, erscheint mir zweifelhaft. Nicht, dass sich das »Blatt« an die üblichen Kriterien eines halbwegs anständigen Journalismus hielte, aber mit dem Informantenschutz nimmt man es dort sehr genau. Woher bekäme man sonst auch all die schönen Skandälchen, Denunziationen und Verleumdungen?
»Wie konnte ein Außenstehender in den Kühlraum?«, wundert sich Billy.
»Du musst endlich einmal essen kommen – wenn du Lust hast … Dann zeige ich dir alles. Der Gang, in dem sich der Kühlraum befindet, ist zwischen Küche und Hinterausgang. Wenn wir in der Küche konzentriert arbeiten, kann leicht wer in den Kühlraum, ohne dass wir ihn bemerken. Vorausgesetzt, er ist einigermaßen flink. Außerdem: Würden wir jemanden ertappen, könnte er sich noch immer als Lieferant ausgeben. Da hätte er zwar im Kühlraum nichts verloren, aber wenigstens bis vor kurzem hätte ich ihm geglaubt, dass er das Gelieferte gleich kühl stellen wollte.«
»Ein Lieferant … Das wäre eine Möglichkeit. Gab es heute Lieferungen?«
»Ja, genug. Der Bauer Michl hat Gemüse gebracht, die Lammfleischlieferung vom Bio-Verband ist gekommen, der Typ mit den Pilzen war da …«
»Der Pilzlieferant!«
»Aber was hätte er für ein Motiv?«, fragt Billy.
Das können wir ihr nicht beantworten.
»Ich muss den ganzen Kühlraum neu ausmalen und desinfizieren lassen.«
»Muss das sein?«, frage ich.
Daniel schüttelt den Kopf. »Soviel ich weiß, sind dem Lebensmittelinspektorat für einen solchen Fall zwar keine Verhaltensvorschriften eingefallen, aber möchtest du Lebensmittel essen, die in einem Kühlschrank neben einem offenen Gefäß mit Scheiße gestanden sind? Wir haben schon alles ausgeräumt.«
»Man sollte herausfinden, ob andere aus unserer Branche in letzter Zeit ähnliche Probleme gehabt haben«, meint Billy.
Vesna ist aus der Küche gekommen, hat den letzten Satz gehört und erwidert trocken: »Bachmayer. Sein Problem ist, er ist tot.«
»Ich weiß nicht, ob da ein Zusammenhang …«, setze ich an. Was, wenn der mysteriöse Mister X heute Früh auf Billy gewartet hat? Üblicherweise ist es Billy, die als Erste kommt. Er wartet hinter dem Gebüsch beim Weg, der am Hintereingang vorbeiführt. Sie kommt, sperrt auf, er geht ihr nach, nimmt ein Messer, wartet einen günstigen Zeitpunkt ab, sticht zu.
»Warum sagst du nichts mehr?«, fragt Billy.
»Ich weiß nicht, ob da wirklich ein Zusammenhang besteht.«
Billy seufzt. »In einer Woche haben wir unser großes Kulinarium mit den Spitzenwinzern der Region. Ein siebengängiges Menü, alles seit langem vorbereitet. Nicht einmal die Hälfte der Plätze ist reserviert. Wenn Manninger etwas in der Art gemacht hat, hat man Wochen zuvor schon keinen Tisch mehr bekommen.«
»Manninger hatte nicht deine Probleme«, versucht Daniel zu trösten und legt kurz seine Hand auf ihre.
Beinahe wundert mich, dass sie um einiges größer ist als die von Billy. Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass er zwar jünger ist als sie, aber kein halb erwachsenes Kind, sondern ein Mann.
»Hat Manninger sich immer noch nicht gemeldet?«, fragt er sie.
Billy sieht Daniel an und schüttelt den Kopf.
»Seltsam. Was ist, wenn er aus irgendeinem Grund gar nicht in New York, sondern hier ist und …«
Noch heftigeres, beinahe wildes Kopfschütteln bei Billy. »Warum sollte er?«
»Eine alte Rechnung …«
»Gibt es keine zwischen uns. Wie ist das bei dir?«
Daniel geht in die Defensive. »War nur so eine Idee. Wir kannten uns kaum. Bei einer Fernsehdiskussion habe ich einmal etwas Abfälliges über die Gastronomie in Luxushotels gesagt, aber deswegen … Nicht einmal Bachmayer hat sich getraut, Böses über ihn zu schreiben.«
»Das ist nicht ganz wahr«, meint Billy nachdenklich, »in der letzten Ausgabe des ›Fine-Food‹-Führers hat er ziemlich gönnerhaft gemeint, Manninger werde seine ländliche Phase schon wieder überwinden. Außerdem hat der Apfelbaum nur einen Stern bekommen, nicht mehr. Im Chez Trois hatte Manninger vier.«
»Ist einfach«, beschließt Vesna unsere Überlegungen. »Man muss herausfinden, wo er ist. Dann weiß man, ob es einen Verdacht geben kann. Und jetzt ist Zeit zu schlafen. Du führst mich, Mira Valensky?«
Ich sehe von Billy zu Daniel, zu Vesna. Die beiden Ersteren wirken
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