Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
es eine gute Idee: Er werde auf die Vorfälle hinweisen und dann über das schreiben, was er für wirklich interessant hält – nämlich darüber, wie die Qualität des Restaurants sei. Quasi den Blickwinkel zurechtrücken. An sich kündige er seine Besuche nicht an. »Aber egal, was Sie mir versprechen, ich weiß, Sie werden es nicht fertig bringen, Billy Winter nicht zu erzählen, dass ich komme. Also mache ich es gleich quasi offiziell: Ich bestelle für heute Abend einen Tisch, eine Person, sagen wir, zwanzig Uhr.«
Mist. Warum bin ich nicht früher auf die Idee gekommen, ihn anzurufen? »Wir haben Ruhetag. Heute und morgen.«
»Dann wird sich, fürchte ich, nichts mehr machen lassen.«
»Tut mir Leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe. Es geht alles drunter und drüber.«
»Haben Sie Mittwochmittag offen?«
»Ja, haben wir. Kann allerdings sein, dass wir nicht sehr viele Gäste haben. Mittwochmittag ist das eher normal.«
»In Ordnung, ich komme am Mittwoch um dreizehn Uhr. Bitten Sie Frau Winter, die Speisekarten der letzten Wochen herauszusuchen. Es wäre gut, wenn ich sie durchsehen dürfte. Wenn mir gefällt, was ich schmecke und sehe, schreibe ich für Donnerstag eine Kolumne, wenn nicht, dann schweigen wir einfach darüber.«
»Danke.«
»Nichts zu danken, das ist mein Job. Ich hätte selbst darauf kommen können. Eine interessante Angelegenheit. Alle anderen nehmen den Apfelbaum nur mehr als Szenerie von Verbrechen und anderen Kleinigkeiten wahr, ich schreibe über die Küche.«
»Verbrechen und andere Kleinigkeiten«, so hat einer der besten Woody-Allen-Filme geheißen. »Sie mögen Woody Allen?«, frage ich.
»Ich finde ihn – großartig.«
Beflügelt vom Erfolg, schreibe ich die restlichen Teile meiner Story zusammen, zu Mittag steht fest, dass ich dafür tatsächlich immerhin eine Seite zur Verfügung habe. Kurz nach drei bin ich mit allem fertig. Billy hat versprochen, daheim zu bleiben, bis ich oder Vesna kommen können. Höchste Zeit, sie auszulösen und ihr von Guttners Absichten zu erzählen.
Aber weil es ja nicht sein darf, dass einmal alles wie geschmiert läuft, erwischt mich die Ressortleiterin, gerade als ich gehen will.
»›Die besten Events der Woche‹ sind zu korrigieren. Unsere Praktikantin hat heute frei, ich muss auch ganz dringend weg. ›United Connection‹ sagt ihre Freiluftgala mit Feuerwerk ab. Sie wissen ja, die Direktoren des Stammhauses in den USA sind gestern verhaftet worden. Wieder ein Fall mehr von Bilanzbetrügereien im großen Stil. Man spricht sogar von Konkurs, jedenfalls wird es heuer für die Anleger weltweit keine Rendite geben. Da wollte man mit einem aufwändigen Fest nicht für zusätzlichen Unmut sorgen.«
Keine Ahnung. Ich kann mich nicht um alles kümmern. Meine direkte Vorgesetzte rauscht ab. Okay, also ein anderer Event. Ich gehe zur Mappe mit den Einladungen und blättere sie missmutig durch. Wer soll die Ehre haben, in unser Ranking aufgenommen zu werden?
Dann rase ich zurück zum Computer. Klar, wenn das nicht ein Wink des Himmels oder einer sonstigen höheren Macht ist! Billys Kulinarium! Die Gastro-Tante wird schauen.
Ich zögere kurz. Wenn sie mit dem Chefredakteur redet … Was soll’s. Ich habe schon brenzligere Situationen durchgestanden. Los. Ich hacke die Fakten für das Kulinarium des Sternerestaurants Apfelbaum samt der Verkostung der Spitzenweine aus der Region in den Eventkalender. Noch ein besonderer Hinweis darauf, dass es einen Gastgarten gibt und dass die Vorhersage für Donnerstag anhaltendes Hochdruckwetter verspricht. Dem Ganzen gebe ich den Titel »Kulinarische Landpartie«. »Vor den Toren Wiens und doch einen Urlaub weit entfernt, mitten in der idyllischen Weinviertler Landschaft …«, beginne ich. An mir ist eine Dichterin verloren gegangen.
Onkel Franz muss noch eine Woche zur Beobachtung im Spital bleiben. Er macht den Ärzten das Leben schwer und versucht, mit den Krankenschwestern zu flirten. Billy und ich besuchen ihn abwechselnd. Er ist wütend, dass man ihn für das Kulinarium nicht vorzeitig entlässt. Was er nie erfahren darf: Wir haben dafür gesorgt, dass er bis zum Wochenende im Krankenhaus betreut wird. Denn natürlich muss er sich schonen, und wenn er zu Hause ist, dann gelingt es niemandem von uns, ihn vom Apfelbaum fern zu halten.
Billy hat nun den Termin für die nächste Sorgerechtsverhandlung. Sie könnte die Entscheidung bringen, bei wem Hannes in Zukunft leben soll.
Ich versuche
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