Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
der Täter so eilig hat, dass er sogar das Messer verliert, warum hat er dann Zeit gehabt, in Ruhe seine Waffe zu säubern und sie zurückzulegen?«
Der Beamte sieht etwas spöttisch drein, Schlussfolgerungen von Außenstehenden werden eben so abgetan. In Profiküchen mag man auch keine Amateure, die einem erzählen, wie man kocht. Jedenfalls unternimmt er nichts weiter, und die Arbeitsgeräte bleiben uns erhalten. Er starrt auf meinen verbundenen Daumen. »Was haben Sie da gemacht?«
Beinahe hätte ich hysterisch aufgelacht und gemeint, ich gestehe, ich bin die, die mit dem Messer herumrennt und Leute ersticht, da bin ich eben einmal abgeglitten. »Die Schneidemaschine wird bei uns sorgfältig gereinigt, wenn Sie trotzdem irgendwelche mikroskopisch kleinen Blutspuren finden, dann könnten sie von mir sein«, sage ich schließlich trocken.
Ich muss zu Onkel Franz. Aber ich bin keine Angehörige.
Vesna kommt mit dem Auto ihres Lebensgefährten. Ich habe wieder einmal etwas zu erzählen und frage sie, so schnell es geht, nach einer Idee, wie man zu Onkel Franz vordringen könnte. »Wenn er irgendwie kann, dann will er sicher reden«, füge ich als Entschuldigung hinzu.
Vesna nickt. »Alter Putzfrauentrick. Ich bin Putzfrau, spiele eine aus dem Krankenhaus. Nehme irgendwo Besen und so etwas und gehe hinein.«
»Sinnlos. Auf der Intensivstation läuft das nicht. Außerdem mag dich Onkel Franz nicht besonders.«
Vesna denkt nach. »Welches Krankenhaus?«
»Unfallklinik zur Dreifaltigkeit.«
»Da kann man Glück haben.« Ohne weitere Erklärung greift sie nach ihrem Mobiltelefon, sucht eine Nummer, führt ein Gespräch in Serbokroatisch und sieht danach sehr zufrieden aus.
»Leiter vom Krankenhaus wird prüfen, ob du zu ihm darfst für ein paar Minuten.«
»Du hast mit ihm telefoniert?«
»Nein, mit seiner Frau.«
»Eine Verwandte?«
»Du glaubst nicht, dass ich so vornehme Verwandte habe? Ist gut, sie ist keine Verwandte. Aber war Kollegin am Anfang, als wir wegen dem Krieg gekommen sind. Eine Hochschulprofessorin, hat auch geputzt wie ich. Aber nicht lange, zum Glück. Jetzt ist sie die Frau vom Krankenhauschef und außerdem an der Universität. Wir sind in Kontakt. Auch bei der Hochzeit war ich.«
Wenig später hat Vesna tatsächlich den Chef der Unfallklinik am Telefon und gibt mir das Gespräch weiter.
»Ich habe mit dem behandelnden Arzt gesprochen. Er muss dabei sein, wenn Sie mit Herrn Haberzettl reden. Wenige Minuten, mehr geht nicht. Aber der Arzt sagt, der Patient hat bereits versucht, alles Mögliche zu erzählen. Mag sein, dass er ruhiger wird, wenn es ihm gelungen ist.«
»Und die Polizei?«
»Hat heute noch keine Chance, das ist bei uns so. Ausnahmen gibt es nur im Fall akuter Bedrohung für Dritte. Die ist ja hoffentlich nicht gegeben. Ich hoffe, Sie lassen mich aus dem Spiel, ich mache es wegen Vesna. Meine Frau hat ihr viel zu verdanken.«
Zuerst will Billy mich begleiten, dann aber denkt sie an die Abendgäste. Kurz nimmt sie mich in die Arme und murmelt: »Danke übrigens für heute Mittag. Ich hab das Wirtshaus komplett vergessen.«
Ich drücke sie, lasse sie wieder los. »Ich komm so schnell wie möglich wieder.«
Wie schon bei früheren Besuchen habe ich das Gefühl, im Krankenhaus nicht genug Luft zu bekommen. Die Atmosphäre von Schicksal, Hoffnung, Leid und angeblichen Göttern in Weiß drückt mich nieder. Oder hat es etwas mit dem offenbar unvermeidlichen Geruch nach Desinfektionsmitteln, Angstschweiß und schlechtem Essen zu tun?
Die Schwester, die am Eingang zur Intensivstation sitzt, weiß von nichts. Es dauert eine halbe Stunde, bis geklärt ist, dass ich tatsächlich für einige Minuten zu Franz Haberzettl darf. Noch immer sieht sie mich allerdings an, als wäre ich es gewesen, die ihn fast totgeschlagen hat.
Ich warte noch einmal eine Viertelstunde, bis mich der Dienst habende Arzt begleiten kann. Er ist überraschend freundlich und hat überhaupt nichts von dem geheimnisvollen Getue, das mir bei Ärzten so auf die Nerven geht.
Man habe schon die ersten Befunde, erzählt er. »Ihr Opa ist ziemlich zäh. Keinerlei innere Verletzungen. Aber eine schwere Gehirnerschütterung ist in seinem Alter ein gravierendes Problem.«
»Ist er ansprechbar?«
»Er hat nach einem weißen Gespritzten verlangt, wenn Ihnen das weiterhilft. Aber er dämmert immer wieder weg. Wenn sich keine Komplikationen ergeben, können wir ihn morgen auf eine normale Station verlegen. Sofern man
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