Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Apfelbaum schreiben kann. Ich bin gerne bereit, die Meldung zu texten.
Ich nehme den Lift und begebe mich in unserem Glaspalast zwei Stockwerke weiter nach oben. Wie unsere Gastronomin dieses Büro mit einer eindeutig besseren Aussicht, als sie uns Normalsterblichen gegönnt wird, ergattert hat, ist klar: Verwandtschaft. Vetternwirtschaft gibt es eben nicht nur in der Politik, sondern auch in der so genannten Privatwirtschaft.
Ich klopfe an ihr Einzelaquarium, sie sieht mich durch die Glastüre an, als würde sie gar nicht wissen wollen, welcher Fisch da zu ihr hereinschwimmen will. Ich warte nicht und trete ein.
Ich hole etwas aus und erzähle ihr, dass ich im Zuge meiner Recherchen über den Mord an Bachmayer natürlich auch mit dem Apfelbaum zu tun gehabt hätte und ganz hingerissen sei von der Qualität der Küche. Zumindest Letzteres ist ja wirklich wahr. Nach wie vor. Billy Winter und ihr Team hätten es sich verdient, als Restaurant wahrgenommen zu werden und nicht bloß als Randerscheinung eines Mordes.
Meine Kollegin reibt sich mit ihrem spitzen Finger die spitze Nase und hört unbewegt zu. Sie ist viel zu schlank, um gerne zu essen.
»Ich bin gerne bereit, eine kurze Glosse zu machen, von mir aus auch ohne Bezahlung. Es wäre eine gute Gelegenheit, am Donnerstag gibt es ein Kulinarium mit den Spitzenwinzern des Weinviertels …«
»Und Sie glauben wirklich, ich veröffentliche eine Restaurantkritik, ohne selbst dort gewesen zu sein?«
Ich weiß, dass sie sich immer wieder Kritiken zuliefern lässt. Aber ich will ja etwas von ihr und halte daher den Mund. Wichtigtuerin.
Sie legt ihre Hände auf die Tischfläche. Der Nagellack ist kirschrot und makellos.
»Halten Sie mich für dumm?«
Ich mache ein indifferentes Gesicht, obwohl ich schon beinahe am Platzen bin. Verwandtschaft kann man sich bekanntlich nicht aussuchen, aber warum muss man sie in die Redaktion setzen?
»Sie sind mit Billy Winter vom Apfelbaum befreundet und seit geraumer Zeit dort beschäftigt. Wahrscheinlich wäre es ohnehin an der Zeit, darüber mit dem Chefredakteur zu reden, gut möglich, dass es sich um eine vertraglich verbotene Zusatztätigkeit handelt. Jedenfalls mache ich keine Gefälligkeitsberichterstattung. Das bin ich meinem guten Namen schuldig.«
Ich stehe auf und gehe zur Tür.
Ihrem »guten Namen«, dass ich nicht lache. Von den Insidern wird sie nicht ernst genommen, im Rosa Flieder war das deutlich zu spüren. Ihre Kritiken plappern meistens ohnehin nur das nach, was gerade die gängige Meinung ist.
In der Tür drehe ich mich noch einmal um und sage mit einem Lächeln: »Schade, ich wollte Ihnen nur weiterhelfen. Der Apfelbaum soll im nächsten ›Fine-Food‹-Führer zwei Sterne bekommen, habe ich gehört. Und im ›Essen‹ soll es auch zwei Bestecke für Frau Winter geben.«
Sie sieht mir mit offenem Mund nach. Wenigstens für den Augenblick habe ich sie verunsichert. Hoffentlich behält Billy wenigstens den einen Stern.
Ich gehe zurück an meinen Schreibtisch, tippe ein kurzes Interview mit Onkel Franz in den Computer und überlege dann weiter, was ich für das Kulinarium tun könnte.
Wenn wenigstens Oskar da wäre. Er hätte ein paar Geschäftsfreunde einladen können. Nein. Nur keine Mitleidsaktionen.
Billy hat erzählt, dass Christian Guttner über den Wechsel Manninger/Winter berichtet hat. Ich kenne ihn kaum, aber anlässlich eines eher eigenartigen Geschäftsessens haben wir uns vor geraumer Zeit ganz gut unterhalten. Er steht auf bäuerliche Küche aus aller Welt und arbeitet an einem Buch darüber. Außerdem lese ich seine Kolumnen gerne. Als Einziger der Gastronomiejournalisten hat er es geschafft, in einer Tageszeitung, sogar in der wahrscheinlich besten des Landes, Fuß zu fassen. Seine Berichte sind spannend, er sucht nach Neuem, er spart sich den weihevollen Zugang einiger seiner Kollegen und Kolleginnen, er ist immer wieder auch witzig und respektlos. Guttner kann es sich leisten, er ist wirklich ein Fachmann und tut nicht bloß so.
Ich rufe bei ihm an, werde verbunden, beginne ihm zu erklären, wer ich bin und …
»Natürlich kenne ich Sie noch, ganz abgesehen davon, dass ich Ihren Bericht über den Mord an Bachmayer gelesen habe.«
Ich atme auf und erzähle – zur Abwechslung einfach einmal die Wahrheit. Warum nicht?
Er überlegt eine Zeit lang, meint dann, er müsse sich das Lokal natürlich erst selbst anschauen, aber grundsätzlich … Er schätze Billy Winter und außerdem sei
Weitere Kostenlose Bücher