Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Mischmaschine zu setzen und herzusausen.
»Das ist Notfall«, erklärt sie mit Freude in der Stimme.
Ich versuche zu protestieren und sie zu überreden, die Schnellbahn zu nehmen. Sinnlos. Außerdem: Wir brauchen sie tatsächlich so schnell wie möglich.
Billy erklärt mir und dem Rest des Teams noch einmal den Ablauf. Lokaler Muskateller-Frizzante als Aperitif, dazu gibt es dreierlei spezielles Brot, das sie mit dem Bäcker aus dem Nachbarort entwickelt hat. Es wird so spät wie möglich in Würfel geschnitten, die an Konfekt erinnern sollen.
Die eine Seite der Küchenarbeitsfläche wird gleich nach dem Ende der Vorbereitungen komplett abgeräumt, die andere Seite, soweit es möglich ist. Wir versuchen, alles, was wir an Zutaten brauchen, in den gekühlten Laden unterzubringen. Das macht insgesamt zehn bis zwölf Meter Anrichtefläche. Der Rest der Teller wird gestapelt und dann aufgelegt, wenn der erste Schub draußen ist.
Der Wärmeschrank für die Teller wird heißer als üblich eingestellt. Noch einmal schärft Billy uns ein, vorne, dort wo die Kellner die ersten Teller wegnehmen können, mit dem Anrichten zu beginnen und uns dann nach hinten weiterzuarbeiten. Selbst Mahmet scheint von der Spannung angesteckt zu sein und verliert seinen stoischen Gesichtsausdruck.
Kein Gericht bestehe aus mehr als drei Komponenten, erklärt Billy, das mache nicht nur die Vorbereitung, sondern auch das Anrichten und Servieren einfacher. Allerdings heißt das auch: Jedes Detail muss perfekt sein, und jeder Teller muss exakt gleich angerichtet werden.
Die beiden Winzer, die die Weine präsentieren sollen, kommen und wollen alles Mögliche wissen. Außerdem brauchen sie im Kühlraum viel mehr Platz, als wir berechnet haben. Wie soll das alles bloß gehen? Die Zeit rast dahin.
Das Brot lässt sich schwerer schneiden als vermutet, ich rutsche ab, stoße ausgerechnet mit meinem verletzten Daumen mit voller Wucht auf die Kante des Schneidbretts, sehe für einen Moment viele Sternchen, die Melanzanewürfelchen, die lauwarm zur Paradeisterrine kommen sollen, lösen sich währenddessen im Wasser in nichts auf, ich schneide schneller als je zuvor noch einmal drei Melanzane in einen halben Zentimeter große Würfel, blanchiere sie nur mehr für einige Augenblicke. Jetzt passt es, etwas frisch gepressten Zitronensaft, etwas Olivenöl darüber.
Das ganze Haus summt vor Gästen, es ist nicht laut, aber voll, endlich wieder lebendig. Auch Einheimische sind gekommen, unter ihnen der Gemeindearzt. Man spricht über die Weine und das Essen. Melonen, die durch Fenster fliegen, entwendete Mordwerkzeuge und durchgeschnittene Kühlleitungen sind heute kein Thema, oder jedenfalls nicht das zentrale.
Ich verbrenne mir an der Form für das Blutwurstsoufflé das rechte Handgelenk, keine Zeit zu jammern, weitertun.
Erst als das Dessert serviert ist, wird mir klar, dass ich seit mehr als vierzehn Stunden nicht gesessen bin, nichts gegessen, in den letzten Stunden auch nichts getrunken habe. Ich sehe, wie Billy plötzlich weiß im Gesicht wird und sich rasch an die Arbeitsfläche lehnt.
»Geht’s dir gut?«
»War nur ein Moment. Ab und zu kann auch mir schwindlig werden.«
»Glaube ich nicht«, spöttle ich. Das ist der richtige Ton. Die Spannung lässt nach, aber noch heißt es, eine Stunde durchhalten.
Billy grinst. Ich hole uns große Gläser mit Sodawasser. Die kalte, prickelnde Flüssigkeit tut gut.
Käseteller auflegen. Die Servicetruppe anweisen nachzusehen, ob genug Brot in den Körben ist. Billy richtet einen Schauteller an, dann geht sie, um ihre erste Runde durchs Lokal zu drehen. Ich helfe Mahmet mit dem Käse, versuche den Lehrling zu motivieren, der kaum mehr einen Fuß vor den anderen setzen kann.
Nebenbei räumen wir weg, was von der Schlacht übrig geblieben ist. Geputzt wird heute ausnahmsweise nur das Nötigste, der Rest kann bis morgen Vormittag warten.
Als auch der Käse serviert ist, gehe ich zu Vesna hinter die Theke.
»Großer Abend«, strahlt sie, »so macht auch mir Arbeit in Gastronomie Spaß.«
Ich schenke mir ein Glas Winzersekt ein. Vielleicht nicht ganz das Richtige auf leeren Magen, aber ich habe Lust darauf.
Gegen Mitternacht haben die meisten Gäste das Lokal verlassen, nur einige der Winzer sitzen mit Freunden am Stammtisch. Der Abend war auch für sie ein Erfolg. Viele Gäste haben Wein bestellt, andere die Prospekte mitgenommen. Unser Stapel mit Visitenkarten ist dahingeschmolzen. Billy schickt
Weitere Kostenlose Bücher