Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
was er will …«
Mir scheint, sie beginnt sich mit dem Lokal, oder zumindest mit Demetz, zu solidarisieren.
»Unsinn«, widerspricht sie, »aber es ist niemand nur gut oder nur schlecht. Nicht einmal die Tschechen, wie du sagst, und Demetz auch nicht. Er tut so, als wäre er noch im Royal Grand großer Küchenchef, manchmal ist er wie in einer anderen Welt. Seltsam. Dabei dirigiert er nur Leszek, dass er Schweinsschnitzel paniert, und muss schauen, dass Hanni nicht zu viel Lachs verbraucht. Wenn sich die Menge nicht ausgeht, wird ihm das vom Gehalt abgezogen. Auch den anderen. Das ist wie Stehlen, sagt der Chef, wenn man teure Dinge verschwendet. Gut, wenn man nur für Abwasch zuständig ist. Aber lange bleibe ich nicht.«
Eigentlich wäre es Zeit zum Abendessen. Abgesehen von der mittelprächtigen Seezunge in Prag, habe ich seit Tagen nicht mehr richtig gegessen. Rundum die feinsten Sachen, aber während des Kochens habe ich keine Zeit, um mit Genuss zu essen, und nach dem Kochen brauche ich Abstand. Irgendwann ist es meistens schon zu spät, und man isst wahllos das, was man vorfindet.
Ich inspiziere meinen Kühlschrank, eingekauft habe ich schon lange nicht mehr. Mit dem, was in der Restaurantküche abfällt, lässt sich Gismo gut versorgen. Es scheint mir, als hätte sie sogar noch ein halbes Kilo zugelegt. Aber was gibt es für mich? Nach aufwändiger Kocherei steht mir nicht der Sinn, eher nach einem Kontrastprogramm zum Apfelbaum. Ich beginne Billy und ihren Gusto auf Bernerwürstel und Pommes besser zu verstehen. Aber so weit muss ich es ja nicht treiben.
Spaghetti aglio, olio, peperoncino. Das ist es. Allein beim Gedanken daran rinnt mir das Wasser im Mund zusammen. Knoblauch, gutes Olivenöl, getrocknete rote Peperoncini, gereiften Hartkäse und Nudeln habe ich immer zu Hause.
Die Streicheleinheiten für Gismo verschiebe ich auf später. Sie hat kein Problem damit, denn jetzt ist sie ohnehin mit einer großen Portion gekochter Hühnerkarkassen beschäftigt. Ab und zu schaut sie auf und schnurrt. Ihre Art, mir zu zeigen, dass sie es schön findet, dass ich einmal länger als ein paar Stunden zum Schlafen daheim bin.
Ich stelle den großen Topf mit Salzwasser auf. Er kommt mir heute klein vor, fast wie aus einer Puppenküche. In eine Stielpfanne kommt reichlich Olivenöl, ich schneide sechs große Knoblauchzehen in ganz feine Scheiben, hacke drei Peperoncini. Kann sein, dass es ziemlich scharf wird, aber das ist gerade richtig für heute Abend.
Vielleicht muss man bei den Opfern nachforschen, um herauszufinden, wer der Täter ist. Bachmayer war korrupt und hat viele mit seinen Kritiken verärgert. Baumann war so ehrlich, dass es schon unangenehm ist. Wahrscheinlich hat er, unsensibel und fantasielos wie er war, einige Menschen in ziemliche Schwierigkeiten gebracht. Ob Manninger den Apfelbaum übernommen hat, weil er, nachdem die Geschichte mit dem unehelichen Kind bekannt geworden war, keine andere Möglichkeit hatte, als den Arbeitsplatz zu wechseln? Auch Demetz hat das Royal Grand nicht freiwillig verlassen.
Ich erhitze das Öl ganz vorsichtig, es darf auf keinen Fall zu rauchen beginnen. Dann werfe ich Knoblauch und Peperoncini hinein, salze. Die Mischung soll bloß ziehen, ist das Öl zu heiß, wird der Knoblauch braun, und der gute Geschmack ist dahin.
Wem hat Billy etwas angetan? Demetz. Zumindest glaubt er das. Manninger … Ich weiß nicht, sie will über ihre Beziehung zu ihm auffällig wenig sagen. Und sie ist manchmal ungerecht. Aber wer ist das in der Hitze des einen oder anderen Küchengefechts nicht? Sie ist ehrgeizig. Doch das ist keine schlechte Eigenschaft, zumindest nicht prinzipiell.
Ich finde einen Rest des zwei Jahre gereiften Käses, den ich, wann immer es geht, in einer kleinen Latteria im Veneto einkaufe. Ersatzweise könnte ich auch geriebenen Parmesan nehmen, aber mein Stravecchio hat mehr Aroma. Ein paar Tage im Veneto. Davon werde ich heute Nacht träumen – vorausgesetzt, es gelingt mir endlich, in meinem Kopf die Vielzahl an Fakten besser zu ordnen.
Vielleicht war tatsächlich Josef Dvorak für die minderschweren Anschläge verantwortlich und jemand anderer für den Rest. Vielleicht wurde Baumann ja auch wirklich von der Frau des Schauspielers ermordet. Morgen muss ich Zuckerbrot erzählen, dass wir unseren Koch gefunden haben. Und wer ihn ins Zelta Praha geschickt hat. Wäre Demetz in seinem Dauerdusel überhaupt in der Lage, Morde und Anschläge sorgfältig zu
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