Ausgeliefert: Roman (German Edition)
auf den Bildschirm starrten, während McGrath anfing, sich Stück für Stück durch das Band zu arbeiten. Jedesmal, wenn er den Knopf drückte, schob sich ein breites Band aus weißem Schnee über den Bildschirm und enthüllte ein neues Bild, aus demselben Winkel, im selben düsteren Grau, aber die Zeitangabe unten sprang zehn Sekunden weiter. Das dritte Bild zeigte eine Frau hinter der Theke. Milosevic tippte mit dem Finger auf den Bildschirm.
»Das ist die Frau, mit der ich gesprochen habe«, sagte er.
McGrath nickte. »Ein weites Blickfeld«, sagte er. »Man sieht den ganzen Bereich – hinter der Theke bis hinaus auf die Straße.«
»Ein Weitwinkelobjektiv«, meinte Brogan. »Eine Art Fischauge. Wer so etwas hat, kann alles sehen, die Kunden, die ein und aus gehen, und zugleich auch, ob sich ein Angestellter an der Registrierkasse zu schaffen macht.«
McGrath nickte erneut und arbeitete sich weiter im Zehnsekundentakt durch den Montagvormittag. Kunden kamen und gingen, sprangen in die Aufnahme und wieder hinaus. Die Frau hinter der Theke sprang im Takt von einer Seite auf die andere, holte Sachen, trug sie nach hinten und tippte Geldbeträge in die Kasse ein. Draußen huschten Autos heran und verschwanden wieder.
»Schnellvorlauf auf zwölf Uhr«, sagte Milosevic. »Das dauert viel zu lange.«
McGrath nickte und hantierte an der Fernbedienung herum. Das Band lief summend weiter. Er drückte auf STOP und PLAY und STILL und sah vier Uhr nachmittags.
»Scheiße«, sagte er.
Noch ein paarmal vor- und zurückgespult, dann fand er schließlich elf Uhr dreiundvierzig und fünfzig Sekunden.
»Genauer werden wir es nicht schaffen«, sagte er.
Er ließ den Finger auf dem Knopf, und der weiße Schnee zog über den Bildschirm. Einhundertsiebenundfünfzig Bilder später hielt er an.
»Da ist sie«, sagte er.
Milosevic und Brogan drängten sich zusammen, um besser sehen zu können. Der Bildschirm zeigte Holly Johnson am äußersten rechten Bildrand. Sie war draußen auf dem Bürgersteig, die Gehhilfe in einer Hand, Kleider auf Kleiderbügeln in der anderen. Gerade zog sie die Tür mit einem Finger auf, den sie frei hatte. Die Zeit in der linken unteren Hälfte des Bildes war um zehn Minuten und zehn Sekunden nach zwölf Uhr mittags registriert.
»Okay«, sagte McGrath leise. »Jetzt wollen wir mal sehen.«
Er drückte den Knopf, und Holly sprang in die Mitte der Theke. Selbst auf dem körnigen, monochromen Bild konnte man ihre unbeholfen wirkende Haltung erkennen. McGrath drückte den Knopf erneut, und nach einem kurzen Schneegestöber stand Holly vor der Theke. Zehn Sekunden später war die Koreanerin bei ihr zu sehen. Zehn Sekunden darauf hatte Holly an einem ihrer Kostüme einen Saum umgeschlagen und zeigte der Frau etwas. Wahrscheinlich einen ganz bestimmten Fleck. So konnte man die beiden Frauen zwei Minuten lang sehen, die Köpfe zwölf Bilder lang zusammengesteckt, mit nur kleinen Rucken von einem Bild zum nächsten. Dann war die Koreanerin verschwunden, die Kleider lagen nicht mehr auf der Theke, und Holly stand fünf Einstellungen lang allein da. Fünfzig Sekunden. Hinter ihr schob sich links bei der zweiten Aufnahme ein Wagen in das Bildfeld und blieb die nächsten drei Bilder lang am Randstein geparkt stehen.
Dann war die Frau mit einem Arm voll sauberer Kleider in Plastikbeuteln wieder da. Man konnte sie sehen, wie sie sie auf die Theke legte. Zehn Sekunden später hatte sie fünf Anhänger von den Kleiderbügeln gerissen. Zehn Sekunden darauf hatte sie weitere vier neben die Registrierkasse gelegt.
»Neun Teile«, sagte McGrath.
»Ja, das stimmt wohl«, sagte Milosevic. »Fünf fürs Büro, Montag bis Freitag, und vier für den Abend, richtig?«
»Und was ist mit dem Wochenende?«, fragte Brogan. »Vielleicht sind es fünf fürs Büro, zwei für den Abend und zwei fürs Wochenende?«
»Am Wochenende trägt sie wahrscheinlich Jeans«, sagte Milosevic. »Jeans und ein Hemd. Und die wirft sie wahrscheinlich bloß in die Maschine.«
»Um Himmels willen, ist das wichtig?«, knurrte McGrath.
Er drückte den Knopf, und man konnte die Finger der Koreanerin sehen, eingefangen in dem Augenblick, wo sie über den Tasten der Registrierkasse hingen. Die nächsten zwei Bilder zeigten Holly, wie sie bar bezahlte und zwei Dollar Wechselgeld bekam.
»Wie viel kostet sie das alles?«, fragte Brogan laut.
»Neun Teile?« meinte Milosevic. »Da wird nicht viel an fünfzig Kröten die Woche fehlen, das wette
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