Ausgeliefert: Roman (German Edition)
sie die zehn Schritte zum Lieferwagen. Setzte sie drinnen vorsichtig ab. Sie krochen zusammen nach vorn zu dem improvisierten Sofa. Machten es sich bequem.
Die Hintertüren des Lieferwagens knallten zu und wurden abgesperrt. Holly hörte, wie die große Scheunentür aufging. Der Motor des Lieferwagens sprang an. Sie fuhren aus der Scheune und polterten hundertfünfzig Meter über die unebene Zufahrt. Bogen in einem Winkel nach rechts ab
und rollten dann langsam fünfzehn Minuten eine Straße hinunter.
»Wir sind nicht in Pennsylvania«, sagte Holly. »Die Straßen sind zu gerade. Zu eben.«
Reacher reagierte darauf nur mit einem Schulterzucken, das in der Dunkelheit kaum zu sehen war.
»Und wir stecken auch nicht mehr in Handschellen«, sagte er. »Psychologie.«
12
»Verdammter Mist, was soll das?«, sagte Agent-in-Charge McGrath.
Er drückte den Knopf der Fernsteuerung und ließ das Band zurücklaufen. Dann drückte er auf Wiedergabe und beobachtete erneut den Bildschirm. Aber was er dort sah, gab überhaupt keinen Sinn. Die Bildschirme waren voll ruckartig dahinhuschender Bilder und weißem Schnee.
»Was soll der Mist?«, fragte er erneut.
Brogan drängte sich von hinten an ihn heran und schüttelte den Kopf. Milosevic kam ebenfalls näher, um hinzusehen. Er hatte das Band mitgebracht und fühlte sich deshalb dafür verantwortlich. McGrath drückte erneut auf Rücklauf und versuchte es wieder. Dasselbe Ergebnis, bloß verschwommene, dahinhuschende Bilder.
»Ich will den verdammten Techniker noch einmal hier haben!« , brüllte er.
Milosevic nahm das Telefon auf der Anrichte neben der Kaffeekanne. Rief nach oben, wo die Technik untergebracht war. Der Abteilungsleiter war binnen einer Minute im Konferenzraum. Milosevic’ Tonfall hatte ihm, deutlicher als das Worte vermocht hätten, klargemacht, dass er sich besser beeilen sollte.
»Das verdammte Band läuft nicht richtig«, erklärte ihm McGrath.
Der Techniker nahm die Fernbedienung mit jener Mischung aus Vertrautheit und Nichtvertrautheit in die Hand, wie Techniker das auf der ganzen Welt tun. Sie kennen sich mit kompliziertem Gerät bestens aus, aber jedes einzelne Stück hat seine Besonderheiten. Er musterte die einzelnen
Knöpfe und drückte dann fest mit seinem abgenagten Daumen auf den Rückspulknopf. Das Band surrte zurück, er drückte PLAY und sah sich selbst den wirren Strom aus vorbeihuschenden Bildern und Videoschnee an.
»Kriegen Sie das hin?«, fragte ihn McGrath.
Der Techniker hielt das Band an und drückte wieder auf Rückspulen. Schüttelte den Kopf.
»Da ist nichts kaputt«, sagte er. »Das soll so sein. Eine typische billige Überwachungsanlage. Die Kamera zeichnet in Abständen von zehn Sekunden auf. Wie eine Folge von Schnappschüssen.«
»Warum?«, fragte ihn McGrath.
»Weil es billig und einfach ist«, sagte der Mann. »Auf die Weise kriegen sie einen ganzen Tag auf ein Band. Das kostet nicht viel, und man braucht nicht daran zu denken, die Kassette alle drei Stunden zu wechseln. Man wechselt sie bloß am Morgen. Und wenn man einmal davon ausgeht, dass ein Überfall länger als zehn Sekunden dauert, haben sie das Gesicht des Täters wenigstens einmal auf Band.«
»Okay«, sagte McGrath ungeduldig. »Und was tun wir jetzt, damit wir etwas damit anfangen können?«
Der Techniker drückte mit zwei Fingern gleichzeitig auf PLAY und STILL. Auf dem Bildschirm erschien ein perfektes Schwarzweißbild eines leeren Ladens. In der linken unteren Ecke konnte man das Datum vom Montag und die Zeit sehen, sieben Uhr fünfunddreißig am Morgen. Der Techniker hielt McGrath die Fernbedienung hin und deutete auf einen kleinen Knopf.
»Sehen Sie den?«, fragte er. »Wenn Sie den drücken, läuft das Band zum nächsten Stehbild weiter. Gewöhnlich verwendet man das im Sport, nicht wahr? Eishockey etwa. Damit man sehen kann, wie der Puck ins Netz geht. Oder bei Pornos. Da kann man das sehen, was man eben sehen will. Aber bei dieser Art von Systemen löst das einfach einen Sprung von zehn Sekunden aus. Also bis zum nächsten Schnappschuss, klar?«
McGrath beruhigte sich und nickte.
»Warum ist es in Schwarzweiß?«, fragte er.
»Billige Kamera«, erklärte der Techniker. »Das ganze Zeug ist billig. Die bauen so etwas bloß ein, weil die Versicherungsgesellschaften es verlangen.«
Er reichte McGrath die Fernbedienung und ging zur Tür.
»Wenn Sie noch etwas wollen, sagen Sie mir Bescheid, ja?« rief er.
Er bekam keine Antwort, weil alle
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