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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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Stammkunde die Mühe gemacht hatte, sich darüber zu beschweren. Statt sie eine alkoholkranke alte Schrulle zu nennen, statt die amerikanische Bürgerrechtsbewegung anzurufen, zog ich den Weg des geringsten Widerstands vor. Ich sagte: »Wie soll ich das denn genau anstellen?«
    Loraine schwankte leicht und klammerte sich an der Thekenkante fest. Ihre Nägel waren dunkelrot lackiert, ebenso die Haut am Nagelbett. »Oh, sag ihm einfach, es handle sich um ein Präsenzexemplar oder so was. Sag ihm, es kann nicht ausgeliehen werden.«
    »Klar doch.« Ich hatte nicht die Befürchtung, dass Loraine die Befolgung kontrollieren oder sich einen Monat später überhaupt daran erinnern würde. Und wenn sie versuchen würde, mich zu entlassen, weil ich dem Stammleser einer öffentlichen Bibliothek ein Buch ausgeliehen hatte, hätte ich innerhalb von zehn Minuten so viel kostenlose Rechtshilfe, dass sich in ihrem gingetränkten Kopf alles drehen würde.
    »Bist du krank, Lucy? Ich frage nur, weil deine Bluse so zerknittert ist.«
    »Mir geht es gut«, sagte ich.
    »Nun, dann glaube ich es dir.«
    Sie nahm die Hände von der Theke und ging mit vorsichtigen Schritten zur Kindertoilette.
    Um 18 Uhr schaltete ich den PC aus, räumte die Bücher vom Wagen in die Regale und ging die Treppe hinauf. Rocky rollte auf seinem Rollstuhl hinter der Theke hervor, als ich oben ankam. Er trug eine Brille mit einem schwarzen Rahmen, und die Gläser waren so dick, dass sie seine Augen verzerrten, die ohnehin fast von seinen dicken Wangen verschluckt wurden. Einige Stammkunden hatten mir gegenüber vertraulich ihr Erstaunen ausgedrückt (und ich hatte erschrocken genickt), dass er »so artikuliert sprechen konnte«.
    »Kaffee?«
    »Klar«, sagte ich.
    Wir schlossen die Tür der Bibliothek ab und überquerten die Straße zur Sandwichbar auf der anderen Seite. Weil ein paar Stufen hinaufführten, wartete Rocky draußen, und ich brachte ihm seinen Kaffee mit heraus. Ich setzte mich auf eine Bank auf dem Bürgersteig, und er rollte neben mich. Ich schlürfte den Kaffee durch das Loch im Deckel und verbrannte mir die Zunge. »Ian Drakes Mutter hat mich heute angeschrien«, sagte ich. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, wohl aber dem, wie ich mich hinterher gefühlt hatte. »Und danach hat mich Loraine wegen Ians Mutter angebrüllt.« Ich benahm mich wie eine Achtjährige, redete von »Brüllen«, nur weil mir die Auseinandersetzung nicht gefallen hatte. »Sie hat gesagt, ich solle seine Bücher zensieren. Loraine hat das gesagt.«
    Er entfernte den Deckel von seinem Becher und blies über den Kaffee. Warum war ich immer diejenige, die sich die Zunge verbrannte? Warum waren nur die anderen vorsichtig? »Du kannst sie doch einfach ignorieren. Warum lässt du dich von so etwas ärgern?« Rocky war, wie immer, der Ansicht, dass ich alles zu persönlich nahm. Und er war nach zwölf Jahren so an Loraine gewöhnt, dass ihn nichts mehr schockieren konnte, was sie tat. In der letzten Zeit bereitete es ihm offensichtlich ein perverses Vergnügen, mir meine eigene Naivität vorzuführen, indem er tat, als hätte er jedwedes ungewöhnliche menschliche Verhalten bereits erwartet, als würde es ihn sogar langweilen: ein vierjähriges Balg, das auf unsere neue Britannica-Ausgabe kotzt, Loraine, die eine alte, mit Wodka gefüllte Spriteflasche im Personalkühlschrank aufbewahrte, der Präsident der Vereinigten Staaten, der behauptete, Jesus wünsche, dass wir Krieg führen. »Hast du dein Thema für den Sommer?«, fragte er. Er ließ nicht zu, dass ich mich in die Angelegenheit verbiss.
    »Nein.« Im Winter und im Frühjahr verbrachte ich immer viel Zeit damit, Flyer vorzubereiten und Rennwagen oder Kometen aus Bastelpapier zu schneiden, um die Nordwand damit zu dekorieren, für den Sommer-Leseclub. Es gab fertige Dekorationen, die man bestellen konnte, aber ich fand sie seelenlos, und Loraine meinte, sie seien zu teuer. »Loraine wünscht sich wieder etwas über eine magische Reise.« Vor zwei Jahren hatten wir das Thema »Keine Fregatte ist so gut wie ein Buch«, doch das war ein Reinfall gewesen, kein Kind wusste, was eine Fregatte war, und einige Eltern hielten es für etwas Anrüchiges.
    »Wie wär’s mit ›Verschlinge ein Buch‹? Ein Hai könnte ein Buch verschlingen, oder ein Dinosaurier.«
    »Nicht schlecht.«
    »Besser als die Fregatte.«
    Ich drehte mich zur Seite und zog meine Füße auf die Bank. »Wie wäre es mit ›Hexerei und der Satanische

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