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Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Augen waren unbeschreiblich blau – dunkel, aber funkelnd, wie Saphire. Seine Stimme war tief, aber überraschend sanft. Er sah aus und klang wie ein vierschrötiger, freundlicher Wikinger in schwarzen Krokodilleder-Cowboystiefeln. Sein Name stand gestickt in großen roten Schnörkellettern über der Tasche seines gestärkten weißen Arztkittels, der ihm bis knapp zu den Knien reichte. Er trug den Kittel nicht zugeknöpft und offenbarte darunter einen schwarzen Krokodilledergürtel mit einer großen Silberschnalle, auf der ein rotes emailliertes Harvard-University-Wappen prangte. »Tut mir Leid, dass Sie warten mussten. Bitte, kommen Sie herein.«
    Clevenger schüttelte Hellers Hand. »Frank Clevenger.«
    »Als ob Sie einer Vorstellung bedürften«, sagte Heller. »Lassen Sie uns ehrlich sein: Sie sind berühmter, als ich es je sein werde.« Er ließ Clevengers Hand los. »Das war eine ganz schöne Achterbahnfahrt, auf die der Highway-Killer Sie damals geschickt hat.«
    »Ja«, pflichtete Clevenger bei, während er versuchte, die Bilder von Jonah Wrens enthaupteten Opfern zu verdrängen. »Es war eine ganz schöne Achterbahnfahrt.«
    »Aber Sie haben ihn geschnappt.«
    »Wir haben ihn geschnappt«, sagte Clevenger, »nachdem er siebzehn Menschen ermordet hatte.«
    »Wenn man den Krebs besiegen will, dann zählt nur das, sonst nichts, mein Freund«, sagte Heller. »Auf dem Weg zum Sieg muss man zwangsläufig das eine oder andere abschreiben. Verluste gibt es nun mal in jedem Krieg.«
    »Das ist die chirurgische Sichtweise«, bemerkte Clevenger und rang sich ein Lächeln ab.
    »Welche andere Sichtweise gibt es?«, entgegnete Heller mit einem breiten Grinsen. »Bitte, nehmen Sie Platz.« Er deutete auf zwei schwarze Wildledersessel vor seinem langen Schreibtisch mit Glasplatte.
    Clevenger setzte sich in einen der Sessel. Heller nahm in dem anderen Platz, statt in seinem Schreibtischsessel. War das seine Art, es sich mit seinem Besucher bequem zu machen, fragte Clevenger sich. Oder war es seine Art, Clevengers Blick über Hellers Schulter hinweg auf eine Wand zu lenken, an der sich akademische Urkunden vom Harvard College und der Harvard Medical School, Mitgliedszertifikate der amerikanischen Ärztekammer und des Verbandes amerikanischer Neurochirurgen, ein Phi-Beta-Kappa-Abzeichen, ein Foto von Heller und dem Präsidenten, der Harvard-Technik-Preis für 2001 und 2003 und Auszeichnungen des
Boston Magazin
s für den besten Bostoner Arzt der Jahre 2003 und 2004 drängten.
    »Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Frank«, erklärte er. »Darf ich Sie bei Ihrem Vornamen nennen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und Sie nennen mich bitte Jet.«
    Clevenger nickte. Er warf einen Blick auf Hellers Schreibtisch, der sich durch eine an Obsession grenzende Ordnung auszeichnete. Die einzigen Gegenstände auf der Glasplatte waren ein schwarzer Computermonitor und eine schwarze Tastatur, eine schwarze Lederunterlage mit einem unbeschriebenen Briefbogen genau in der Mitte und ein silberner Cartier-Kugelschreiber mit einer kleinen eingebauten Uhr in der Kappe.
    »Zwangsstörung«, bemerkte Heller. »Ich habe alle Symptome.«
    »Da kann ich helfen«, scherzte Clevenger.
    Heller schüttelte den Kopf. »Ich mag meine Pathologie. Sie ist … wie nennt man das in Ihrer Branche noch?
Egosyntonisch
. Ich mag saubere Schnitte.«
    Heller bezog sich auf das vollständige Entfernen von Tumoren, so dass keine Krebszellen zurückblieben.
    »Dann würde es mir natürlich nicht im Traum einfallen, Sie Ihrer Symptome zu berauben. Ihre Patienten profitieren ganz offensichtlich davon.«
    »Vielleicht.« Heller sah unvermittelt niedergeschlagen aus. »Ich weiß nicht genau, warum Sie hier sind, Frank, aber ich bin froh darüber. Ich brauche jemanden, der mir hilft zu verstehen, was mit John Snow passiert ist.« Er klang halb traurig, halb zornig. »Ich muss es Ihnen ehrlich sagen, diese Sache macht mir zu schaffen.«
    »Erklären Sie es mir genauer.«
    »Ich muss Ihnen nicht erst sagen, dass es für mich natürlich nichts Neues ist, dass mir ein Patient wegstirbt. Haben Sie die Frau gesehen, die gerade hinausgegangen ist?«
    »Ja, habe ich.«
    »Einundvierzig Jahre alt. Drei kleine Kinder. Ich gebe ihr fünf, sechs Wochen. Allerhöchstens sieben.«
    »Tut mir Leid, das zu hören. Wie lautet die Diagnose?«
    »Glioblastom.« Seine Lippe verzog sich, als genügte die bloße Erwähnung des Feindes, um seinen Zorn zu entfachen. »Vor zehn Tagen hatte sie ein

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