Ausgelöscht
dazu getrieben?«
»Ich …« Sie sah aus, als würde es ihr großen Schmerz bereiten, die Worte auszusprechen. »Ich habe ihm das Gefühl gegeben, es wäre besser, wenn er tot wäre.«
»Wie haben Sie das gemacht?«
»Ich habe ihm gesagt, dass ich wünschte, er wäre es.«
»Und Sie denken, das hätte genügt, um ihn dazu zu bringen, seinem Leben ein Ende zu setzen?«
Ihr Blick wurde wieder kalt und leer. »Ja.«
Lindsey Snow glaubte offenkundig, dass sie große Macht über ihren Vater besaß– die Macht, ihm den Lebenswillen zu rauben. Das bedeutete wahrscheinlich, dass Snow ihr das Gefühl gegeben hatte, seine Glückseligkeit hänge allein von ihr ab. »Warum haben Sie Ihrem Vater den Tod gewünscht?«, fragte Clevenger.
Sie schlang die Arme fester um sich und ließ das Haar wieder vor ihr Gesicht fallen. »Er hat mich belogen«, flüsterte sie.
»Über …?«
»Alles«, erklärte sie, und ein zorniger Unterton stahl sich in ihre Stimme.
Wusste Lindsey über Snows Liebesaffäre mit Grace Baxter Bescheid? Oder wusste sie, dass ihr Vater die Absicht hatte, alle zu verlassen – sie eingeschlossen? Und wer könnte es ihr erzählt haben? Ihre Mutter? Ihr Bruder? »Welche Lüge hat Sie am wütendsten gemacht?«, fragte Clevenger.
Sie schüttelte den Kopf.
»Sie können es mir ruhig sagen.«
Sie streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
»Lindsey, warten Sie.«
Sie öffnete die Tür, sprang aus dem Wagen und lief zum Haus zurück.
Clevenger sah, wie sie die Schritte verlangsamte, als sie in Sichtweite der Streifenwagen vor dem Haus kam. Gerade als sie an ihnen vorbeiging, trat ihre Mutter aus der Haustür. Und als er die beiden so nebeneinander sah, erkannte Clevenger, dass sie in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil voneinander waren – die eine reserviert, die andere extrem gefühlsbetont; die eine schön, die andere bedeutend weniger; die eine sehr vergebend in Bezug auf John Snows Schwächen, die andere erzürnt darüber.
Lindsey ließ den Kopf hängen, marschierte stumm an ihrer Mutter vorbei und verschwand im Haus. Ihre Mutter folgte ihr. Die Tür schloss sich.
Clevenger legte einen Gang ein und begann die zwanzigminütige Rückfahrt zu seiner Praxis in Chelsea. Ihm fiel Mike Coadys Warnung wieder ein, dass die Verdächtigenliste bei einem Fall wie dem von Snow sehr lang sein konnte, selbst wenn Snow tatsächlich Selbstmord begangen hatte. Er fragte sich, ob North Anderson irgendetwas herausgefunden hatte, um Collin Coroway von der Liste zu streichen. Er wählte Andersons Nummer.
»He, Frank«, meldete sich Anderson.
»Irgendwas Neues über Coroway?«
»Jede Menge. Er hat gestern um sechs Uhr dreißig einen US-Air-Pendlerflug nach Washington genommen. Keine Reservierung, hat sich das Ticket um fünf Uhr fünfzig am Schalter gekauft. Und er ist noch nicht zurückgekommen.«
»Snow wird ins Leichenschauhaus verfrachtet, und er verlässt zur gleichen Zeit in einem Flieger den Bundesstaat«, bemerkte Clevenger.
»Und er ist nicht stehenden Fußes zurückgekommen, um Snows Witwe zu trösten oder bei Snow-Coroway die Zügel in die Hand zu nehmen. Er wohnt noch immer in seinem Zimmer im Hyatt.«
»Er hat ein Motiv. Ich habe herausgefunden, dass die Kontrolle über alles geistige Eigentum des Unternehmens an Coroway übergeht. Bislang brauchte er bei allen Entscheidungen Snows Unterschrift. Sie haben da eine brandheiße Erfindung in der Entwicklung, die Snow begraben und Coroway ans Militär verkaufen wollte. Das wäre der Schlüssel dazu gewesen, dass Coroway den Startschuss geben konnte, um mit Snow-Coroway an die Börse zu gehen.«
»Und jetzt wird Snow beerdigt«, bemerkte Anderson. »Aber wenn wir von einem Doppelmord ausgehen, dann ist er nicht unser Mann. Er war bereits in Washington, als Grace Baxter gestorben ist.«
»Es sei denn, wir haben es mit zwei Mördern zu tun«, erwiderte Clevenger mechanisch. Ihm gefiel selbst nicht sonderlich, wie seine Worte klangen.
»Unwahrscheinlich«, sagte Anderson. »Snow und Baxter hatten eine Affäre. Alles in allem ist immer noch George Reese mein Favorit für beide Morde. Ein eifersüchtiger Ehemann ist zu allem fähig.«
»Trotzdem werde ich wahrscheinlich einen Ausflug nach Washington machen und Coroway einen Überraschungsbesuch abstatten«, sagte Clevenger.
»Viel Glück. Wie ich höre, ist er ein eiskalter Hund.«
»Ist er mit dem Limousinen-Dienst zum Flughafen gefahren?«
»Keine Ahnung«, antwortete Anderson. »Du meinst, der
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