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Ausgeloescht

Ausgeloescht

Titel: Ausgeloescht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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Eindruck.
    »Das ist nicht das Lied, das Kirby ausgesucht hat«, flüstert Bonnie.
    Gespielt wird »Let it be« von den Beatles, allerdings in der Originalversion, nur Paul und sein Piano. Ich finde es großartig.
    »Welches Lied wollte Kirby denn?«, frage ich. »Here Comes the Bride«, sagt Bonnie.
    Stattdessen »Let it be«. Das passte. Konformität war noch nie Callies Ding. Dann erscheint die Frau der Stunde, und die rätselhafte SMS tritt vorerst in den Hintergrund.
    Callie ist wunderschön in ihrem schlichten langen Seidenkleid. Ihr rotes Haar trägt sie lang und mit Blumen umwickelt. Es sieht aus, als würden Feuerrosse über ihren Rücken galoppieren. Sie bemerkt meine staunenden Blicke und zwinkert mir zu. Es schnürt mir das Herz ab.
    Ich hatte immer Angst, dass Callie allein bleibt. Ich bin jetzt einundvierzig, und Callie ist ungefähr in meinem Alter. Wir sind in den besten Jahren, aber ich habe die Zukunft gesehen, den sich nähernden Scheitelpunkt, hinter dem der Staub sich nach und nach legt und die Falten tiefer werden. Irgendwann werden wir die Aufgabe nicht mehr erfüllen können, der wir unser Leben gewidmet haben - die Jagd auf geisteskranke Verbrecher. Wir werden unsere Waffen niederlegen, weil wir zu alt geworden sind. Vielleicht werden wir jüngere Jäger unterrichten. Vielleicht werden wir zu Hause sitzen und unsere Enkel auf den Knien schaukeln. Doch was auch passiert, das Alter kommt herangaloppiert. Ich kann die Hufschläge schon viel deutlicher hören als damals, als ich noch knackige einundzwanzig war.
    Ich habe mir Sorgen gemacht, meine beste Freundin würde allein alt werden müssen, deshalb bin ich jetzt froh und erleichtert. Callie liebt einen Mann, und er liebt sie. Sie werden zusammen sein, was auch passiert.
    Für einen Moment wird meine Freude durch ein Bild aus der Vergangenheit getrübt. Ich sehe Matt und mich an unserem Hochzeitstag. Ich trug damals weiße Seide, genau wie Callie heute. Wir waren so unglaublich jung ... eine Jugend, an die ich mich kaum noch erinnere. Vom Tag der Hochzeit weiß ich fast nichts mehr, doch drei Erinnerungen werden bleiben, solange ich lebe: unsere Liebe, unser Lachen, unsere Freude.
    Callie tritt neben Sam, und er lächelt sie an. Es ist das Lächeln eines Jungen, was umso schöner ist bei diesem sonst so einsilbigen Mann. Es macht ihn zehn Jahre jünger. Callies Lächeln ist schüchtern, was nicht minder seltsam ist, und mindestens genauso schön. Pater Yates beginnt die Trauungszeremonie, die Callie sich selbst ausgedacht hat. Die Zeremonie ist ernst und feierlich, und das überrascht mich, denn es passt so gar nicht zu Callie.
    Ich fühle die Sonne im Rücken, als ich zuschaue, wie meine Freunde sich ihrem Glück hingeben.
    »Sie dürfen die Braut jetzt küssen«, sagt Pater Yates schließlich, und Sam tut es nur zu gerne. Endlich geht ein bisschen Wind, kalt, aber wohltuend, und die Sonne gibt ihr Bestes, den Tag zu verschönern.
    Pater Yates sagt irgendetwas, doch er wird übertönt von einem schwarzen Mustang mit getönten Scheiben, der vielleicht dreißig Meter von uns entfernt auf den Parkplatz rast. Der Fahrer bremst, und der Mustang kommt in einer Rauchwolke aus verbranntem Gummi zum Stehen. Der Motor dröhnt. Die Tür schwingt auf. Eine Frau wird auf den Asphalt geworfen. Die Tür knallt zu, und der Wagen jagt davon. Er hat kein Nummernschild.
    Die Frau müht sich auf die Beine. Ihr Schädel ist kahl rasiert, und sie trägt nur ein schmuddeliges Nachthemd. Sie taumelt ein paar Schritte in unsere Pachtung, greift sich mit beiden Händen an den Kopf, hebt das Gesicht zum Himmel und schreit, schreit, schreit.
     

Kapitel 4
    Als die Frau zusammenbrach, stürzten Callie und ich zu ihr, um Erste Hilfe zu leisten, während Tommy und Sam die Notrufnummer wählten. Kirby nahm die Verfolgung des schwarzen Mustangs auf, jedoch vergebens, wie sich bald herausstellte.
    Die Frau sah entsetzlich aus. Sie war abgemagert und ausgetrocknet. Die Lippen waren rissig, die Haut unter den Augen fast schwarz, als hätte sie Tage und Wochen nicht geschlafen, was umso gespenstischer wirkte, als ihr Gesicht so weiß war wie Papier. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Unwillkürlich musste ich an die blinden Albinoratten denken, die im Dunklen geboren und gehalten werden und nie Tageslicht sehen.
    »Schürfwunden am Hals und an den Hand- und Fußgelenken«, sagte Callie.
    Ich sah mir die betreffenden Stellen an. Callie hatte recht. Da waren sogar Narben, die

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