Ausgeloescht
uns das weiter. Mir ist klar, dass es nicht einfach für Sie ist, sich so etwas ins Gedächtnis zu rufen, aber ich weiß, dass Sie den Mann hinter Gittern sehen wollen.«
»Ich will ihn nicht hinter Gittern sehen«, widersprach sie.
Alan stutzte. »Nein?«
»Nein«, bekräftigte sie. Ihre Stimme war nun fest und ruhig. »Ich will, dass er stirbt.«
Alan ging mit einem Nicken darüber hinweg. Ich konnte ihn beinahe vor mir sehen: kein erstaunter Blick, keine großen Augen, nur ein Nicken. »Verständlich. Also, sind Sie bereit?«
»Ich glaub schon.«
»Gut. Erzählen Sie.«
»Ich kenne ein besonderes körperliches Merkmal bei ihm«, begann Mary. »Er hat einen riesigen Schwanz.«
Diesmal war Alan ehrlich verblüfft; ich erkannte es an der Länge der Pause. »Wie bitte?«, brachte er schließlich hervor.
»Bill Keats«, sagte Mary Booth mit fester Stimme, aber irgendwie geistesabwesend. Ich konnte sie vor mir sehen, wie sie ins Leere blickte, als sie sich erinnerte. »Er hat den größten Schwanz, den ich je gesehen habe. Bestimmt fünfundzwanzig Zentimeter lang. Ich weiß noch genau, wie sein Ding unter seinem fetten, weißen Bauch hervorragte.«
»Ich verstehe«, sagte Alan. »Er hat also einen großen Penis. Noch etwas?«
»Eine Narbe an der Innenseite des rechten Oberschenkels.«
»Gut. Das ist sehr gut, Mrs. Booth. Was noch?«
»Ich ...« Sie stockte, zögerte. An der Art dieses Zögerns erkannte ich, dass sie als Nächstes etwas Schreckliches sagen würde.
»Unten am Bauch hat er eine Tätowierung. Er hob die Speckfalte an, wenn er mich zwang, ihn ... mit dem Mund zu befriedigen. >Sieh her<, sagte er, und ich tat es. Da waren zwei Buchstaben.«
»Welche Buchstaben?«
»Ein S und ein H.«
»Hat er Ihnen gesagt, wofür diese Buchstaben stehen?«, fragte Alan. »Ja. Für Sklavenhalter.«
Sie erzählte noch mehr, viel mehr. Stundenlang. Alan führte sie durch alle grausamen Augenblicke, holte mit sanfter Beharrlichkeit jede noch so schmutzige Einzelheit hervor. Manchmal weinte Mary, doch meistens hatte sie sich in der Gewalt, und ihre Stimme klang fest.
Der Staatsanwalt ersparte den Geschworenen kein Detail von Marys Aussage, und das - zusammen mit den Ergebnissen der körperlichen Untersuchung und anderen Beweisstücken - tat seine Wirkung.
Ich bekam das Bild nicht aus dem Kopf: fette Wampe unter dem Chambray-Hemd, unter dem sein erigiertes Glied hervorragt... die eintätowierten Buchstaben, die nur seine Opfer verstanden ... und dann dieses Lächeln, dieses ewige falsche Lächeln.
Als ich in den Vernehmungsraum kam, hielt Keats die Hände über dem Bauch gefaltet und zeigte sein widerliches Lächeln. Er starrte mir unverwandt ins Gesicht. Seine Blicke gierten nach meiner Narbe wie ein Verhungernder nach einem saftigen Steak. Er trug keine Handschellen, und wir waren allein. Obwohl ich wusste, wie liebend gerne dieser Hurensohn meine Schreie aufgenommen hätte, hatte ich keine Angst: Kulisse bedeutete diesem Verrückten alles, ebenso wie Abgeschiedenheit, und da war dieser Raum nicht das Richtige.
Ich stellte den Rekorder auf den Tisch.
»Ich werde das Gespräch wie vereinbart aufzeichnen, Mr. Keats, in Ordnung?« »Na klar«, sagte er.
Wir gingen den üblichen Fragenkatalog durch, und er war ziemlich kooperativ. Seine Mutter hatte den Missbrauch begangen. Sie misshandelte Keats' Schwester körperlich und ihren Sohn sexuell. Sie hatte - wie könnte es anders sein - dunkle Haare und große Brüste, wie die Opfer ihres Sohnes. Es war vorhersehbar und jämmerlich zugleich.
Dann kamen wir zu dem Thema, das uns beide am meisten interessierte, wenn auch aus verschiedenen Gründen: die Schreie der Opfer.
»Waren die Schreie schon immer eine Quelle sexueller Erregung für Sie?«, fragte ich.
Solche Befragungen werden stets möglichst nüchtern gehalten, auch die Wortwahl. Es heißt immer »Quelle sexueller Erregung« und nie »antörnen« oder »aufgeilen« oder ähnliches. Mit Absicht. Wer die Dinge klinisch-sachlich benennt, wird zum Spiegel, nicht zum Richter oder gar zum Teilnehmer. Die Täter betrachten sich gerne im Spiegel, zumindest solche armen Irren wie Keats.
»Eigentlich nicht«, sagte er mit ruhiger, freundlicher Stimme.
»Warum waren die Schreie dann so wichtig für Sie? Gab es irgendeinen Auslöser dafür? Ein bestimmtes Erlebnis?«
Er drehte und wendete die Frage im Geiste und musterte mich dabei. Ich sah die Veränderung in seinem Blick. Abgeschnitten von seinen Rauschmitteln
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