Ausgerechnet Souffle'!
Hallo braust auf, Gläser klirren aneinander, während die Angesprochenen sich von ihren Plätzen schälen. Ich hebe die Hand noch ein wenig höher und fahre lächelnd fort:
„In diesen heiligen Hallen ...“, und dann vergesse ich meinen Text.
Eine Bewegung lenkt meinen Blick zur Eingangstür.
Frank ist da. Und er ist nicht allein gekommen.
*
„Lieber Gott. Nein, so habe ich es wirklich nicht gemeint. Ich mag undankbar sein. Aber hättest du es nicht bei meinen Wünschen belassen können? Nie habe ich ein Wort darüber verloren, dass ich ausgerechnet am heutigen Abend meine eigenen Probleme zu ordnen gedenke. Was hast du dir nur dabei gedacht. Vor allem: Was hat sich Frank dabei gedacht? Als ich ihn einlud, meinte ich doch nicht, dass er Felix mitbringen soll! Was mache ich denn jetzt?!“
Noch wundert sich niemand über mein Zögern. Ich spüre förmlich, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht. Langsam lasse ich mein Glas sinken. Frank lächelt selbstsicher und ohne das geringste Schuldbewusstsein. Felix hingegen sieht mich sehr ernst an. Der dunkle Anzug mit Fliege passt irgendwie gar nicht zu ihm. Er wirkt so ... falsch angezogen. Alle anderen warten ebenfalls darauf, dass ich mit meiner Rede fortfahre.
„Ähm ... ja ...“, leider umnebelt mein Hirn sanfte Leere.
Stattdessen fällt mein Blick unseligerweise auf Julias Schwester. Melissa sitzt stocksteif auf ihrem Stuhl und starrt geradeaus. Offensichtlich hat sie die Neuankömmlinge durchaus bemerkt. Mir wird heiß. Und dann kalt. Ein leises Raunen schwillt an. In meinem Ohr höre ich Wasser plätschern. Die kleine Katta steht mal wieder am Beckenrand. Ich werde ertrinken. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich kann das kühle, schwappende Nass bereits an meinen Füßen spüren. Ergeben schließe ich die Augen. Es wird nicht funktionieren. Der Abend wird in einer Katastrophe enden. Ich bin tot.
Macht nix, Herr. Ist nicht deine Schuld. Ganz ehrlich - das habe ich mir selbst eingebrockt. Doch Gott erbarmt sich seinem abtrünnigen Schäfchen. Er wirft mir nachsichtig einen Strohhalm zu. In Gestalt eines Engels. Wie betäubt sehe ich aus dem Augenwinkel, dass Julia sich erhebt. Sich räuspert. Mich ansieht. Zur Tür sieht. Und ein breites, wissendes Lächeln auf ihren Lippen erscheint. Ihre Stimme tönt glasklar und unnatürlich laut durch den Raum.
„Da seid ihr ja endlich! Unser lieber Frank. Und ... Felix. Wie immer zu spät“, scherzt sie.
Ihr Pokerface ist sagenhaft. Fast augenblicklich entspannt sich die Stimmung. Die Gäste wenden sich einander zu und nehmen ihre Gespräche auf. Sprachlos werde ich indes Zeuge, wie Julia mit erhobenem Kopf auf die beiden zugeht, sich im Vorübergehen zwei Gläser vom Tablett nimmt und sie Frank und Felix entgegenhält. Britta spurtet geistesgegenwärtig in die Küche und kommt mit zwei Gedecken zurück, die sie unauffällig am Tischende an den frei gebliebenen Plätzen platziert. Mit hochrotem Gesicht schenkt sie mir ein leises „Okay.“ Als wäre es das normalste der Welt, fährt sie fort, die Vorspeisen aufzutragen.
Ich rutsche auf den freien Stuhl neben Melissa und fasse beherzt nach ihrer Hand. Sie zuckt zusammen. Dann erwidert sie zögernd den Druck meiner Finger. Ihr Blick richtet sich unverwandt auf Julia und die Sanderbrüder. Atemlos verfolgen wir so das Geschehen. Sie stehen zu weit weg, als das wir hören könnten, was gesprochen wird. Also verlasse ich mich auf mein Gespür und die langjährige Übung im Umgang mit Muttis Gebärdensprache. Ich sauge mich an Franks Lippenbewegungen fest. Dabei versuche ich hartnäckig, an Felix vorbei zu sehen.
„Er entschuldigt sich“, wispere ich.
Melissa nickt unmerklich. Ihr Puls ist unnatürlich hoch, ihre Wangen überzieht eine leichte Röte. Das gibt mir Hoffnung. Gleichmut verursacht kein Herzrasen.
„Jetzt sagt sie ... Vollidiot“, murmele ich.
Julias Schwester kichert.
„Das hört er ziemlich oft in der letzten Zeit“, grinse ich.
Konzentriert hänge ich an Julias Lippen und beuge mich unwillkürlich nach vorne, so dass ich beinahe auf dem Tischtuch liege.
„Und so etwas wie ... Ohrenschmalz?“
Hä? Was redet Julia da bloß? Melissa sieht mich fragend an. Okay, meine Lesefähigkeit mag vielleicht ein kleines bisschen eingerostet sein.
„Nein, sie meint ... ach ja“, meine Miene erhellt sich, „er soll sich hinter die Ohren schreiben, dass er mit Frauen so nicht umzugehen hat.“
Anerkennend schnalze
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