Ausgerechnet Souffle'!
bleibt mir und allen Beteiligten bis heute schleierhaft. Und er, der Einzige, der das beantworten könnte, will offenbar nicht darüber reden. Wie gewohnt macht der kleine Mann aus den Dingen, die ihn betreffen, ein Geheimnis. Seine Rauchvergiftung kostete ihn bis zur vollen Genesung zwei Wochen im Krankenhaus, wie mir meine ehemalige Vermieterin verriet. Ziemlich kleinlaut suchte ich ihn daraufhin in Frau Krauses Wohnung auf und bat ihn mehr oder weniger auf Knien, die Küche im neuen Lokal zu übernehmen. In seiner üblichen wortkargen Art ließ er meine Entschuldigungen und Dankbarkeitsbekundungen über sich ergehen, um mir sodann die Tür zu weisen. Erst als ich reichlich geknickt im Türrahmen stand, warf er mir ein „Bin dann morgen um zehn da“ hinterher. Frau Krause lächelte nur.
Meine heutige Aufgabe besteht darin, die Tischkärtchen für die Gäste zu schreiben und kunstvolle Serviettenschwäne zu falten. Der kleine Pfefferminzevogel aus Kaugummipapier liefert mir die Vorlage. Es kommt mir wie Jahre her vor, als die Frau in der Bahn den Silberpapierschwan in meinen Schoß warf. Beinahe unwirklich.
Julia rief in der letzten halben Stunde dreimal panisch an. Zuerst vermochte sie sich nicht zwischen dem Lamm oder der Ente zu entscheiden. Da Melissa asiatische Gerichte liebt, entschieden wir uns letztlich für den knusprigen Wasservogel. Unsäglicher weise fand Julia in verschiedenen Kochbüchern nun ein thailändisches, vietnamesisches und koreanisches Rezept, dessen Auswahl sie erneut heillos überfordert. Ich schüttle nachsichtig den Kopf. Julias Lampenfieber wirkt total ansteckend, so dass ich selbst ganz hibbelig werde. Meine Aufregung bezieht sich allerdings weniger auf das Kochen, sondern vielmehr auf den Gast, den keiner erwarten wird.
Ich klemme den Telefonhörer unter das Kinn und gebe die Ziffernfolge auf der Tastatur ein. Wäre doch gelacht, wenn das nicht in Ordnung käme.
„Sander?“
Einen kurzen Augenblick bleibt mein Herz stehen.
„Frank?“, frage ich vorsichtig.
„Katta! Was gibt´s?“
Ich atme auf. Ob erleichtert oder enttäuscht, entscheide ich später.
„Hast du heute Abend schon was vor?“
*
Julia sieht phänomenal aus. Sie trägt ein hautenges, paillettenbesetztes Abendkleid und eine Hochsteckfrisur, in deren kunstfertiger Verflechtung ich eindeutig Bennos Handschrift erkenne. Eine lange, schillernde Locke umrahmt von jeder Seite ihr Gesicht, welches mit dem geschmeidigen Stoff um die Wette strahlt.
„Du bist umwerfend schön“, flüstere ich in ihr Ohr, als sie mich umarmt.
Hinter ihr schiebt sich eine schlanke, dunkelhaarige Frau durch die Tür. Aus der Nähe ist die Ähnlichkeit unverkennbar. Die gleichen Augen, die gleiche hohe Stirn.
„Hallo Melissa“, lächelnd reiche ich ihr die Hand, „schön, dass du da bist.“
„Toll, dich endlich einmal kennen zu lernen. Ich habe so viel von dir gehört“, viel sagend zwinkert sie Julia zu.
Ihre Stimme besitzt einen wunderbaren, samtweichen Klang. Melissa ist wirklich eine Augenweide. Und das offenbar nicht nur äußerlich. Ich kann Frank gut verstehen. Jetzt wird mir irgendwie übel. Die Ärmste hat ja keine Ahnung, wie enorm sie mich in der nächsten halben Stunde kennen lernen wird. Geht mein Plan schief, bin ich geliefert. Nervös schaue ich auf meine Uhr, die mich plötzlich an eine tickende Zeitbombe erinnert, und fange einen misstrauischen Blick von Britta vom anderen Ende des Raumes auf. Ich lächle unschuldig und wende rasch den Kopf, ehe meine Freundin meine Gedanken liest. Frank müsste jeden Moment da sein. Julias Schwester schaut mich immer noch liebenswürdig, jedoch leicht irritiert an. Mir wird bewusst, dass meine Hand nach wie vor die ihre umklammert hält.
„Ja ... ich habe von dir auch viel gehört ...“, stottere ich und verschränke die Arme vor der Brust. Vielleicht war es doch keine so brillante Idee, ausgerechnet heute Abend einen Kupplungsversuch zu starten. Blöderweise vermag ich meine spontane Aktion nicht mehr zu stoppen. Frank hat sein Mobiltelefon ausgeschaltet, wie ich vor einigen Minuten mit Entsetzen feststellen durfte. Weitere Gäste drängen in den Eingang, so dass ich gezwungenermaßen die Dinge laufen lassen muss. Also schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel.
„Lieber Gott, das ist echt das letzte Mal, dass ich mich irgendwo einmische. Versprochen. Hilf mir bitte nur noch diesmal. Für Julia ... und Melissa und Frank ... und wenn ich schon mal dabei bin,
Weitere Kostenlose Bücher