Ausgesaugt
verschwindet das Gebilde, als wäre es von dem Loch eingesaugt worden.
– Puh, und jetzt kommt die Eklipse, das ist die Phase, in der alles wieder voll normal aussieht. Eine Zeit lang jedenfalls. Wir spulen mal vor.
Sie drückt eine andere Taste. Das Bild vibriert, verschwimmt im schnellen Vorlauf und hält an, als sie die Taste erneut drückt.
– Da.
Das Gebilde zittert, pulsiert, stülpt sich durch das kleine Loch von innen nach außen und zieht sich wieder zusammen. Dann hört das Gebilde plötzlich auf, sich zu bewegen. Es ist jetzt knallgelb und hat Warzen. Dort, wo mal das Loch war, ragt jetzt eine ganze Batterie von Korkenziehern auf.
– Das ist passiert.
Ich sehe auf den Bildschirm. Sie sieht mich an.
Ich schüttle den Kopf.
Sie nickt.
– Eine aktive Vyruszelle, die bereits den Kern einer Wirtszelle gestohlen hat, befällt einen neuen Wirt und aktiviert dort ein inaktives Vyrus ohne Zellkern. Das gibt ihm das Werkzeug an die Hand, um sich zu reproduzieren. Und das tut es dann auch.
Sie tippt gegen den Bildschirm.
– Dieser kleine Scheißer fickt so ziemlich jede Zelle in Reichweite. Penetriert sie, mutiert und bringt immer höher spezialisierte Elemente hervor. Echt krass. Jetzt ist das Vyrus aktiv und kann anfangen, den Wirt umzuwandeln. Und dabei war es vorher nur ein Stück ERV, ein blinder Passagier, der im Genom geschlummert hat. Wenn es allerdings in einen neuen Wirtskörper gelangt, macht es sich sofort auf die Suche nach den nächsten vyralen ERVs mit dem richtigen Loch.
Sie wedelt mit der Hand.
– Spitz wie Nachbars Lumpi, die Teile.
Sie dreht sich zu mir um.
– Kapierst du, Joe? Das mein ich. Es war schon immer in dir drin. Es hat gewartet. Hat gewartet, bis der Richtige vorbeikommt und es aufweckt.
Sie berührt meinen Arm.
– Du bist das Vyrus. Es ist nur aufgewacht.
Ich denke an den Wurm, der seinen eigenen Schwanz frisst. Diese Wurmgeschichte ist ungefähr so sinnvoll wie das, was Amanda von sich gibt. Wenn man dem Wurm folgt, erreicht man irgendwann wieder den Anfang. Und wenn der Wurm den letzten Bissen verschlungen hat, was dann? Wo soll man dann hingehen?
Manche Sachen sind einfach zu hoch für mich.
Ich gehe zu Phil hinüber und trete ihn so lange, bis er aufwacht.
– Los, dreh mir noch eine Zigarette.
Er rappelt sich auf und dreht mir eine Zigarette. Ich zünde sie an.
– Predo wird gleich da sein.
Amanda betrachtet noch einmal das Video.
– Aha.
Ich spähe zur Schlafzimmertür hinüber.
– Ist außer dir und Sela noch jemand hier?
– Also echt .
– Wir sollten jetzt wirklich abhauen. Ich weiß, wie wir uns an Predo vorbeischleichen können, doch dazu müssen wir uns jetzt auf die Socken machen.
– Also weißt du...
– Wenn hier noch jemand ist, sollten wir besser alle einsammeln und verschwinden.
– Joe.
Auf dem Bildschirm infiziert die aktivierte Vyruszelle noch einmal die andere.
Amanda sieht fasziniert zu.
– Ich werd wohl kaum zulassen, dass du sie mitnimmst.
– Du und Sela, ihr könnt ja auch mitkommen.
Das neue Vyrus dehnt sich wieder aus.
– Highschoolabschluss hin oder her, Joe, blöd bist du nicht. Also tu nicht so, als ob.
Phil steht schon vor dem Ausgang und hat die Hand auf die Türklinke gelegt.
– Hat hier jemand was von Abhauen gesagt?
Meine Hand liegt auf der Klinke der Schlafzimmertür.
– Amanda. Stell dir einfach vor, ich wäre saublöd.
Sie seufzt das gute alte Alle außer mir sind so furchtbar doof -Teenager-Seufzen. Genau wie damals, als ich sie zum ersten Mal traf.
– Ich werd nicht zulassen, dass du sie mitnimmst.
Ich öffne die Tür.
Amanda lässt die Videosequenz ein weiteres Mal abfahren.
– Du wirst Chubbys Tochter nicht mitnehmen.
Auf dem Bett liegen ein schwangerer Teenager und ein Junge. Sie haben die Beine ineinander verschränkt und schlafen.
Ich sehe zu Amanda hinüber.
Sie steht auf.
– Ich brauche sie.
Sie geht auf mich zu und deutet dabei auf die Bildschirme.
– Also echt, ich steh doch grade erst am Anfang. Ein Heilmittel, Joe, darum geht’s doch. Immer noch, oder?
Sie hebt die Arme und macht eine ausholende Geste.
– Warum das alles? Wir brauchen ein Heilmittel. Predo oder sonstwer, vor denen haben wir keine Angst. Wir haben...
Sie kaut auf den Spitzen einer Haarsträhne herum.
– Wir haben da unsere Möglichkeiten, Joe. Wir sind keine kleinen, wehrlosen Mädchen.
Sie lässt das Haar aus ihrem Mundwinkel fallen.
– Ich brauche sie. Das ist doch keine
Weitere Kostenlose Bücher