Ausgesaugt

sie erst in Jahrmillionen kolonisieren wollen. Dann schießen sie diese Waffen auf die Planeten ab und infizieren eine bestimmte Spezies, und ihre Feinde machen genau dasselbe, und der Witz dabei ist, dass es die infizierten Spezies untereinander ausmachen, und diejenige, die gewinnt, ist so programmiert, dass sie, na ja, also wenn sie überleben will, muss sie fressen und das ganze Programm abspulen, aber nebenbei hilft sie auch dabei, den Planeten für die Aliens bewohnbar zu machen. Wenn sie dann in Jahrmillionen kommen. Wenn überhaupt.
    Ich muss lachen.
    Sie nicht.
    Ich höre wieder auf.
    Sie sieht mich an.
    – Wer bist du, Joe Pitt? Was bist du, Joe Pitt? Willst du mir in den Rücken fallen, indem du so tust, als würdest du Predo in den Rücken fallen? Oder arbeitest du in Wahrheit für deine außerirdischen Herren und weißt es nicht mal?
    Ich lehne mich gegen die Wand.
    – Das meinst du doch nicht ernst.
    Sie schüttelt langsam den Kopf.
    – Nee, jetzt nicht mehr. Hab ich aber mal.
    Sie wendet sich wieder ihren Bildschirmen zu.
    – Ist ohnehin egal.
    Sie betrachtet eine Reihe von Bildern. Sie sehen aus wie in unmöglichen Winkeln zusammengeschweißte Eisenbahnschwellen.
    – Weil wir nämlich so ungefähr nur ein Prozent allen Lebens auf der Erde erforscht haben. Und es gibt zehnmal mehr unbekannte Viren als andere Lebensformen in diesen übrigen 99 Prozent.
    Sie zuckt mit den Schultern.
    – Wenn es hier schon so viel seltsames Zeug gibt, wer braucht dann das Weltall?
    Ich öffne die Tür zum Schlafzimmer einen Spalt.
    Auf dem Bett liegt ein Fuß. Leider kann ich nicht sehen, ob er mit einem Körper verbunden ist.
     
    Obwohl ich ihr schon lange nicht mehr folgen kann, plappert sie munter weiter.
    Sie erzählt mir, dass der Großteil des Erbguts auf der Welt aus Viren besteht. Wenn man sie aneinanderreihen würde, wäre die Kette zehn Millionen Lichtjahre lang. Sie redet von den drei Domänen des Lebens – den Eukaryoten, den Bakterien und den Archaeen –, und dass Viren sich durch alle diese Domänen durchschmarotzen. Sie redet von einem so genannten Urvorfahren – oder genauer: dem letzten gemeinsamen Vorfahren, also der allerersten Lebensform, die existierte, bevor sich die drei Kategorien ausbildeten. Sie sagt, die große Stärke der Viren läge in ihrer Zähigkeit. Der Großteil des menschlichen Erbguts besteht aus viraler DNA. Sogenannte Retroviren programmieren ihre RNA so, dass sie virale DNA produziert, die dann mit der DNA in den Zellen des Wirts verschmilzt. Auf die Art wird dann die virale DNA im normalen Replikationszyklus der Wirtszellen kopiert.
    Die meiste Zeit verstehe ich nur Bahnhof.
    Ich kapiere ungefähr zehn Prozent von dem, was sie redet. Aber so war’s schon immer. Sie ist einerseits hochintelligent und andererseits völlig durchgeknallt. Für einen einfachen Mann wie mich ist es da schwer, überhaupt etwas von dem zu begreifen, was aus ihrem Mund kommt.
    Ich halte mich lieber an Whiskey und Zigaretten.
    Und denke an den Fuß auf dem Bett. Frage mich, ob er möglicherweise einer schwangeren Frau gehört.
    Ich würde mich ja gerne genauer umsehen, doch inzwischen hat Sela ein Auge geöffnet. Ist sie wach, oder hat das überhaupt nichts zu bedeuten?
    Gruselig.
    Aber jetzt wird’s noch gruseliger.
    – Willst du mal was voll Abgefahrenes sehen?
    Ich gehe zum Schreibtisch rüber und betrachte die Bildschirme. Dabei bewege ich mich ziemlich langsam und versuche zu erkennen, ob Selas Auge mir folgt.
    Es folgt mir.
    – Was denn?
    Weitere Gebilde auf den Monitoren.
    Sie deutet auf eine grelle, pink und grün gefärbte Kugel mit stummelartigen Fortsätzen.
    – Das ist es.
    Ich sehe genauer hin.
    – Das ist was?
    – Das Vyrus, Joe. So sieht es aus.
    Ich schaue noch genauer hin, aber ich erkenne gar nichts. Es ist nicht das Antlitz Gottes oder so. Nur ein Bild von einem Erreger, den ich mir vor langer Zeit eingefangen habe. Ein Erreger, der dafür sorgt, dass ich Blut zum Überleben brauche.
    – Es ist pink und grün.
    Sie tippt etwas, und ein ähnlich aussehender Klecks taucht auf. Der ist jedoch blau und grün und von der Form her etwas geometrischer.
    – Das ist auch das Vyrus, aber von einer anderen Probe. Von jemand anderem. So ist das Vyrus, klar? Es sieht immer anders aus, je nachdem, in wem es ist. Nicht nur die Symptome sind unterschiedlich, sondern sein ganzes Aussehen. Das ist das Abgefahrenste überhaupt. Da war ich natürlich erst mal voll angepisst.
    Sela