Ausgesetzt
dem Unterholz hervorbräche, mit weißen Knochen, von denen sich das Fleisch löste.
»Ich habe versucht, ihn zu sehen«, sagte Jamie. »Der Mond war hinter den Wolken, aber immer wieder kam er hervor und machte alles hell. Er hat mich von hinten angegriffen.«
Jamie drehte sich um. Schweißflecken zeigten sich auf seinem Hemd, und er zitterte. Der Wind fühlte sich kalt an. Die Luft roch nach Salz.
»Mit der Kraft der Untoten schlug er auf mich ein!«
Er knöpfte sein Hemd auf und trat ganz nahe an Walker heran. Er hielt das Hemd offen.
Walker schaute von Jamies Gesicht auf Jamies Brust. Die einzelnen Rippen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab. Er schaute hinunter auf den Bauch und sah, was Jamie ihm zeigen wollte.
Eine Narbe, erhaben und gezackt, schwach rosa auf der schwarzen Haut, verlief vom Brustbein bis kurz vor die Gürtellinie.
»Er hat mich gefesselt«, fuhr Jamie fort. »Als ich die Augen wieder aufmachte, hing ich an einem Baum. Blut tropfte mir übers Gesicht, von da, wo mich sein Schlag getroffen hat. Und ich konnte etwas sehen. Ich sah diese dunkle Figur vor mir. Ich hörte sie atmen. Wimmern. Und von irgendwoher kamen Schmerzen. Ich schaute hinunter, und da hing eine Schlinge von meinem Darm heraus, wie eine Schlange, die aus mir herauskriecht. Ich habe geschrien.«
Er blieb stehen und sah sich rasch um, als habe er etwas gehört. Etwas anderes als das Rauschen des Windes, das sich jetzt zu einem Heulen verstärkte und durch die Baumwipfel fegte.
»Frank Shine kam mit einem Mädchen den Weg herauf. Sie hörten mich und rannten herbei. Das Ding verschwand.«
Jamie sah hinauf in die Bäume. Sie peitschten im Wind. »Jeffrey Cole wollte mir die Seele rauben, verstehst du?« Er streckte die Hand aus und umklammerte Walkers Gesicht fest, damit Walker, so zugedröhnt er auch sein mochte, ihm auch wirklich zuhörte und verstand, was er sagte. »Wenn Miss Emile einer Seele sagt, sie soll flüchten, dann glaub ihr«, sagte er.
Walker nickte. Jamie ließ sein Gesicht los. Er hatte es ihm gezeigt und er hatte ihn gewarnt, mehr konnte er nicht tun.
Jamie wandte sich zum Gehen, aber Walker packte ihn an der Schulter. Er musste gegen das Heulen des Windes anbrüllen.
»Du hast gesagt, damals war es noch Robinson’s Place. Wer hat da gewohnt?«
Jamie sah ihn ein wenig überrascht an. Wieso war das wichtig? »Es war gleich nachdem Mrs. Nuremborski gestorben ist«, brüllte er zurück.
»Wer war in dieser Nacht im Haus?«
»Der Alte. Er war noch da. Miss Emile war bei der Tochter, weil’s jeden Moment losgehen konnte.«
»Und mein Vater?«, fragte Walker.
»Nein, an den kann ich mich noch immer nicht erinnern. Er muss weggewesen sein. Ich war da, weil ich das Wassertaxi holen sollte, wenn das Baby käme. Drum war ich so spät noch auf. Aber es war noch nicht soweit, und da hat Miss Emile mich heimgeschickt.«
»Es war also der Alte da, meine Mutter und Miss Emile und du.«
»Und der Bruder, dein Onkel«, rief Jamie. »Er war auch da.«
Walker ließ Jamie los. Er stand in der heulenden Dunkelheit, als ob er sich über etwas klarwerden musste.
Dann prasselte der Regen herunter, durchnässte sie bis auf die Haut, zerstach ihnen das Gesicht.
»Los, komm«, brüllte Jamie. Walker folgte ihm. Er kam sich vor, als renne er unter Wasser. Der letzte Rest Licht war verglommen, und nichts als tintenschwarze Dunkelheit umgab ihn. Der Regen brauste wie ein Sturzbach auf ihn herab, Äste flogen ihm um die Ohren, Blätter klatschten ihm ins Gesicht, Bäume krachten zu Boden.
Walker rutschte aus, fiel in den Schlamm, rappelte sich wieder auf und rannte direkt in einen Baum, der gerade erst auf den Weg gestürzt war. Wieder fiel er hin, weil er sich in Schlingpflanzen und Ästen verfangen hatte. Regenwasser stürzte über ihm den Abhang hinunter und schwemmte ihn mit.
Walker versuchte, um die umgestürzten Bäume herumzurobben, rutschte aber nur weiter den Hang hinunter. Alles wurde hinuntergeschwemmt. Er rannte gegen den mächtigen Stamm einer Pappel, kroch auf die windabgewandte Seite und zwängte sich zwischen die Wurzeln. Er lag da, das Gesicht in den Boden gedrückt, und wartete darauf, dass der Sturm nachließ oder der Regen ihn davonspülte oder ein herabfallender Ast ihn erschlug. Er spürte das Vibrieren des Baumes über ihm.
Beinahe so rasch wie er aufgekommen war, verebbte der Sturm, verhallte zu einem stoßweisen Klagen in den Bäumen, zu einem Ächzen, schließlich zu einem Murmeln. Auf
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