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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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sie dann.
    Walker starrte über das öde, windgepeitschte Gras hinweg auf den Rand der Klippe und den Himmel darüber.
    »Walker Tennu«, sagte sie.
    Walker nickte. Dann sagte er: »Jake Nuremborski hat auch meinen Vater umgebracht.«

[home]
    28
    1980
    A ls Bobby die Augen aufschlug, sah er Seetang, Korallenstücke und ein buntes Defilee kleiner Schleierschwänze. Und rundherum war alles blau.
    Vielleicht war er ertrunken. Er fühlte seinen Körper um sich herum, leicht wie ein Blatt, aber sehen konnte er ihn nicht.
    Ein Unfall war passiert. Irgendwoher kam das Blubbern von Wasser und auch das Murmeln seines Blutes. Er konnte es nicht sehen, aber er fühlte es, ein leises, schwammiges Lied.
    Ein Gesicht verdrängte das Blau.
    Das runde Gesicht eines jungen Mannes, ohne Augenbrauen, fast konturlos, die kleinen Augen bar jeder Farbe, der winzige Mund fest zusammengepresst vor lauter Konzentration. War das Gott?
    Bobby schaute durch die unbeweglichen, kristallenen Linsen seiner eigenen Augen zu ihm hoch. Und das Gesicht des Mannes kam zu ihm herab, und er fühlte, wie sich die Lippen des Mannes sanft auf seine Lippen pressten; seine Augen, direkt über denen von Bobby, waren halb geschlossen. Er brummte, summte wie tausend Bienen in Bobbys Hals hinein. Und dann ging er.
    Bobby drehte den Kopf vorsichtig, kaum merklich, zur Seite. Jetzt fühlte er auch seinen Kopf. Er spürte, dass er auf etwas Flachem, Hartem ruhte.
    Der Mann war ganz in Weiß – weißes T-Shirt, weiße Hosen, weiße Laufschuhe. Er stand vor einer Ablage voller Medikamente. Er füllte eine Spritze.
    Ein Unfall ist passiert, dachte Bobby noch einmal, irgendein Unfall. Eine undeutliche Erinnerung flatterte am Rand seines Bewusstseins, doch er konnte sie nicht sehen. Er konnte sie nicht erkennen.
    Wer bin ich?
    Diese Frage beschäftigte ihn, während der Mann die Spritze fertigmachte, sich hinsetzte und seinen eigenen Arm mit einem Gummiriemen abband. Mit einem vernehmlichen Seufzer drückte er sich die Nadel in die Vene.
    Ich bin Robert Nuremborski, dachte Bobby, und ich wurde vor dem Ertrinken errettet, weil ich ein Gott bin. Ich bin einer von ihnen.
    Der Mann stöhnte. Er schloss die Augen und sank in den Sessel zurück.
    Bobby beobachtete ihn mit Augen, die sich nie bewegten und nie schlossen, blinde Augen, die seinem Pfleger in den vielen Monaten nur allzu vertraut geworden waren. Nur dass sie jetzt sehen konnten.
    Der Pfleger stand auf und legte die Spritze auf einen weißen Porzellantisch. Er drehte sich um und sah Bobby an. Ein kleines Fragezeichen huschte über sein Gesicht: Es schien, als habe sich Bobbys Kopf ein wenig zur Seite gedreht. Der Gedanke bereitete dem Pfleger nicht lange Kopfzerbrechen. Er starrte seinen Patienten weiter an, doch jetzt mit seliger Trägheit. Sein winziger Mund presste sich erneut zusammen. Er zog sich das T-Shirt langsam über den Kopf.
    Bobby konnte einen weißen Schmerbauch sehen.
    Er sank wieder zurück – so müde, ganz und gar bereit, unter seine kristallenen Augen zurückzusinken, abzutauchen, tiefer und immer tiefer.

[home]
    29
    M it einem dumpfen Schlag kam der Sand Walkers Gesicht entgegen. Er war noch warm, obwohl die Sonne bereits untergegangen war und der Himmel am Horizont von rosé zu tief violett gewechselt hatte.
    Jamie half Walker wieder auf die Beine. Jamie war angetrunken. Walker war blau wie tausend Veilchen.
    Jamie führte Walker ans Wasser, wo die schweren Brecher herankrachten. Zusammen knieten sie in der Brandung. Walker spürte, wie ihm das Wasser den Sand unter den Knien wegspülte, und er schwankte gefährlich. Jamie schöpfte mit seinen Händen Wasser und schleuderte es Walker ins Gesicht. Es kam ihm heiß vor, wie aus einer heißen Quelle. Walker spritzte Jamie Wasser ins Gesicht und fiel dann auf die Seite. Die nächste Brandungswelle schlug über seinem Kopf zusammen. Jamie hob ihn auf und stellte ihn lachend auf die Beine.
    »Geht’s jetzt besser?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte Walker.
    Sie gingen den Strand entlang, einer den Arm um die Schultern des anderen gelegt. In einiger Entfernung sah Walker den schilfgedeckten Unterstand, wo ein paar von Jamies Freunden aus einer kleiner Siedlung am Strand unterhalb von Robinson’s Place Fisch und Huhn mariniert und über glühenden Kohlen gegart hatten. Alle hatten Rumbowle und jamaikanisches Bier getrunken und ungeheure Mengen Gras geraucht. Irgend jemand spielte Gitarre. Einige sangen.
    Walker sah Kristas blondes Haar im Schein

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