Ausgesetzt
und hab Hilfe geholt.«
»Das seh ich«, bemerkte Walker.
Krista war trocken und in Sicherheit und sogar fast wieder nüchtern. Sie wartete in einem der Häuser an der unbefestigten Straße. Als Walker hereinkam und sie ihn so sah, mit zerrissenen Kleidern, das Gesicht zerkratzt und blutig, über und über mit Schlamm bedeckt, erhob sie sich von einer Bank neben dem Feuer und küsste ihm das ganze Gesicht.
Alle machten »Ahhh«.
Dann wich sie zurück, musterte ihn von oben bis unten und sagte: »Schmeißt ihn wieder rein.«
Einer der Männer, der ohnehin in ihre Richtung musste, fuhr Krista und Walker in ihrem geliehenen Laster zurück zum Hotel. Trotz zwei heißer Rum-Butter-Cocktails waren Walkers Nacken und Schulter ganz steif geworden, sein Kopf um fünfundvierzig Grad geneigt. Er wollte nicht fahren.
Als sie ins Hotel kamen, saß Tom Tait in der leeren Lobby und las Zeitung. Er sah auf zu Krista, die auf ihren Krücken hereinschwankte, noch immer ein bisschen high. In ihrem Gefolge ihr Freund, schlamm- und blutbespritzt (das Gesicht hatte er sich zwar gewaschen, aber sein Hemd war noch immer voll Blut), den Kopf schiefgelegt, als hätte er sich gerade eine Ohrfeige eingehandelt.
»Hi, Tom«, sagte Krista mit verschwommenem Lächeln.
Tom nickte.
»Tom«, murmelte Walker.
»Mmm«, sagte Tom.
Trotz beträchtlicher Schmerzen schaffte Walker es, Krista die Treppe hochzutragen. Kam gar nicht in Frage, das Tom zu überlassen. Im Zimmer bestand Krista darauf, ihn auszuziehen. Die Art, wie sie ihm Schuhe und Jeans auszog, entbehrte nicht einer gewissen Erotik. Sie durfte ihm sogar die nasse Unterwäsche ausziehen, während er sich zurücklehnte und sie angrinste.
Und das Ganze wäre auch sehr erotisch gewesen, wenn ihm die Schulter nicht so grauenhaft weh getan hätte. Es war für beide unübersehbar, dass Walkers Körper sich nur einer Sache auf einmal widmen konnte.
Krista ließ ihm ein heißes Bad einlaufen und bestand darauf, dass er sich in die Wanne legte. Er taumelte ins Bad und ließ sich in das dampfende Wasser sinken. Sie kam herein, setzte sich auf den Toilettensitz und sagte, er solle sich die Schulter röntgen lassen.
»Wo?«
»In Joy’s Grove, wenn wir nach deiner Geburtsurkunde fragen.«
»Da ist nichts. Das spüre ich. Alles bestens«, sagte er.
»Ich hatte Angst«, erzählte sie ihm.
»Wirklich? Mir geht’s gut.«
Krista nickte. Vom Wasserdampf war ihr Haar feucht geworden, und einzelne Locken klebten ihr an Stirn und Wangen. Ihre Gesichtszüge waren vom Alkohol und dem starken jamaikanischen Hasch noch immer ein wenig verwischt. Sie ließ sich neben der Wanne zu Boden sinken, langte ins Wasser und bespritzte Walkers Brust.
»Ich würde dich küssen, wenn ich den Kopf bewegen könnte«, sagte er.
Sie kam auf die Knie, langsam und ungeschickt, und beugte sich über den Wannenrand. Sie küssten sich.
»Ich habe mich mit jemand geprügelt.« Walker hatte sich entschlossen, ihr davon zu erzählen. Sie musste alles wissen. Das war nur recht und billig.
Aus ihrem Gesicht schwand jede Regung. »Was meinst du damit?«
Als er von der Narbe erzählte, die Jamie ihm gezeigt hatte, setzte sie sich wieder auf den Toilettensitz und fing an, Klopapier von der Rolle zu zupfen.
Dann erzählte er von dem Mann, mit dem er sich geprügelt hatte. Es war derselbe Mann, den er im Sommerhaus der Nuremborskis oben an der Treppe gesehen hatte und von dem er sich selbst hatte einreden wollen, dass es nur ein Obdachloser war. Er stand jedoch offenbar genauso in Jake Nuremborskis Sold wie der Sekretär – war vielleicht Jakes zweite Verteidigungslinie, vielleicht seine letzte, letale. Bei dieser Beschreibung schloss Krista die Augen, als wünsche sie sich an einen anderen Ort.
Als er ihr von dem ermordeten Jungen erzählte, der in der Nähe des Nuremborskischen Sommerhauses an einem Baum hängend gefunden wurde, stützte sie sich auf das Waschbecken und stand auf. Die Klopapierrolle fiel zu Boden. Sie öffnete die Badezimmertür und ging hinaus.
»Er hat nicht nur meine Mutter und meinen Vater auf dem Gewissen«, rief Walker ihr nach. »Jake Nuremborski ist ein Serienmörder.«
[home]
30
1985
B obby saß auf dem Rücksitz der silbernen Limousine und sah durch die getönte Scheibe hinaus.
Auf der anderen Straßenseite war eine lange Fensterfront. Alle Fenster waren beleuchtet und boten ihm Einblick in einen großen Raum, in dem etwa ein Dutzend Männer und Frauen in bunten Shorts und
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