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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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allen Seiten hörte Walker das Tosen herabstürzenden Wassers.
    Eines wusste er sicher: Zugedröhnt war er nicht mehr. Seine Sinne waren hellwach, jeder einzelne Nerv zuckte, lag bloß. Er bemühte sich, ruhiger zu atmen, seinen Herzschlag zu verlangsamen. Plötzlich fiel ihm Krista ein. Beunruhigt fragte er sich, was aus ihr geworden war. Doch sie hatten vom Strand aus den Sturm bestimmt heraufziehen sehen, hatten Zeit gehabt, ihr zu helfen. Bestimmt saß sie wohlbehalten und trocken in einem der Häuser.
    Er drehte sich um, lehnte sich an den Baum und wartete auf Jamie, der sicher nach ihm suchen würde. Und er dachte an das Sommerhaus der Nuremborskis am French River und an die Geschichte von dem kleinen Jungen, dem, an einem Baum aufgehängt, der Bauch aufgeschlitzt worden war, so dass ihm die Gedärme heraushingen.
    Dann hörte Walker ein Geräusch.
    Es klang sehr nahe, als käme es von der anderen Seite des Baumes. Ein Kratzen. Was es auch war, Jamie war es nicht, dessen war sich Walker sicher. Es war zu nahe und zu sehr darum bemüht, nicht gehört zu werden.
    Walker machte sich vorsichtig davon, drehte sich zur Seite und rutschte den Hang hinunter. Er war erst ein, zwei Meter weit gekommen, da sah er etwas Dunkles, dunkler als die Dunkelheit um ihn herum, vor ihm vorüberstreichen.
    Walker bohrte seine Absätze in den Boden und stand langsam auf. Jetzt konnte er ein Gesicht ausmachen, geisterhaft, rund wie der Mond. Es sah gespenstisch aus und hatte gleichzeitig etwas Vertrautes. Dann verschwand es.
    Walker ging quer über den Hang, blieb stehen, um zu lauschen. Anfangs hörte er nichts als das Rauschen des Wassers. Irgendwo in den Büschen über sich hörte er ein Rascheln. Und dann fiel ihm ein, wo er dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte.
    Walker rannte, strauchelte über Wurzeln und Schlingpflanzen den schlammigen Hang hinauf. Er sah eine dunkle Gestalt über sich, jemanden, der sich auf Händen und Füßen bergauf kämpfte.
    Walker stürzte sich auf ihn. Der Mann wand sich, trat nach Walker und fiel auf den Rücken. Auch Walker rutschte aus.
    Der Mann packte Walker an den Haaren, und sein Gesicht, flach und öde wie ein toter Planet, näherte sich dem von Walker und rammte mit aller Kraft seine ohnehin schon schiefe Nase. Ein rasender Schmerz durchbohrte Walker, doch er hielt stur das Hemd seines Gegners fest.
    Einer über den anderen kullernd schlitterten sie mit der übrigen in Bewegung geratenen Masse kopfüber den Hang hinunter. Plötzlich fuhr der Mann hoch und schleuderte Walker, der halb auf ihm lag, weiter den Berg hinunter. Walker rollte herum, kam auf die Knie und hielt sich die Hände schützend vors Gesicht. Doch der andere setzte ihm nicht nach. Walker wartete. Nichts. Nichts als das Geräusch des Wassers, das sich langsam zurückzog, einige letzte Regenböen und undurchdringliche Finsternis.
    Walker rang nach Atem. Er berührte seine Nase, fühlte etwas Feuchtes, kostete es. Es schmeckte nach Blut. Seine Schulter schmerzte. Er hatte sie sich irgendwie verrenkt. Er wartete noch eine Weile. Noch immer nichts.
    Langsam rutschte er die steile Böschung hinunter, dann stapfte er den restlichen Hang bergab.
    Noch bevor er es sehen konnte, hörte er das Meer. Schwere Brecher rollten heran, krachten an den Strand, zogen sich zischend und dröhnend wieder zurück. Er durchbrach die letzte Baumreihe und stolperte hinaus auf den Strand. Seine Schulter brannte. Doch das Blut tröpfelte nur mehr aus der Nase, und obwohl sie wehtat, schien sie nicht gebrochen zu sein. Er setzte sich vorsichtig in den nassen Sand und sah sich um.
    In einiger Entfernung sah er, wie eine in der Dunkelheit schwebende Schneewächte, die weiße Linie der Brandung. Ein Licht hüpfte die Baumreihe entlang. Jemand rief seinen Namen.
    Er rief zurück: »Hier drüben! Hier bin ich!« Das Licht schwenkte näher, begleitet von einem Chor von Stimmen, dann fand es ihn, im Sand kniend, als hätte ihn die Brandung angespült.
    »Mensch, wo warst du denn?«, sagte Jamie und rannte zu ihm. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Mhm«, machte Walker, doch er verzog das Gesicht, als Jamie und die anderen ihm aufhalfen. »Ich habe mir die Schulter verletzt und die Nase angeschlagen.«
    »Ich dachte, du wärst hinter mir. Hab dich gesucht, aber ich konnte überhaupt nichts sehen, ein umgefallener Baum war im Weg«, erklärte Jamie. Ihm war schrecklich zumute, irgendwie hatte er das Gefühl, Walker im Stich gelassen zu haben. »Ich bin gelaufen

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