Ausgetanzt
sperrte sie die Tür ihres Ladens auf.
Mit einem unterdrückten Würgen drehte sich Katharina weg, als
sie die tote Caro erneut anblickte, während sich im Frisiersalon routinierte
Aktivität ausbreitete.
»Berenike, hallo!« Katharina schlang die Arme um ihren
Oberkörper, wie um sich selbst zu umarmen. Sie steckte in einer ausgeleierten
grauen Pyjamahose und einem farblosen Bademantel, nur Katharina konnte auf die
Idee kommen, so etwas zu tragen. Ihr Alter war schwer zu schätzen, sie mochte
35 sein oder 45, vielleicht sogar 50. Groß war sie, und ihre Knochen sahen hart
und eckig aus. Sie hatte kein Glück bei Männern, nie gehabt, so hörte man. Nur
alte Tanten, die bei ihr wässerigen Kamillentee tranken und sich seit
Jahrzehnten die gleiche Frisur machen ließen, mochten Katharina.
In die betretene Betriebsamkeit hinein vernahm Berenike den
Erzherzog-Johann-Jodler. Alle sahen sie an, als sie ihr Handy aus dem Rucksack
kramte. Rufnummer unterdrückt. Damn, wie Berenike das hasste.
»Ja bitte?« Nie meldete sie sich Unbekannten gegenüber mit
ihrem Namen. Das hatte seinen guten Grund, auch wenn die Angelegenheit sich mit
dem Mordfall letztes Jahr geklärt hatte. Telefonterror, er hatte noch lange
angedauert, nachdem sie ihren letzten Job in der Eventbranche verloren hatte,
mehr oder weniger unfreiwillig. Drüben sah sie Katharina zurück ins Haus
huschen.
»Hier spricht Amélie«, erklang eine rauchige Stimme. Die
Besitzerin des Studios Elfentanz, in dem Caro unterrichtet hatte.
»Berenike, ich brauche deine Hilfe.« Amélie schnaufte.
Berenike verstand sich gut mit ihr, sie tranken ab und zu Çay miteinander, den
Amélies türkischer Mann Mehmet zubereitete. Berenike hatte den beiden mit den
Formalitäten für Mehmets Einreisepapiere und der Hochzeit geholfen. Als
Städterin war sie mit solchen Behördenwegen vertrauter als Amélie, die beinahe
an dem Papierkram verzweifelt wäre.
»Berenike, du hast dich doch schon erfolgreich als Detektivin
betätigt …«
»Ja, Amélie, aber …«
»… und deshalb«, fuhr Amélie unbeirrt fort, »ruf ich als
Erste dich an. Mehmet verhält sich so komisch. Er will ohne mich nach Wien.«
»Amélie, ich kann jetzt nicht reden. Bist du zu Hause?«
Berenike sah Adi, wie er sich auf Katharinas Geschäft zubewegte.
»Ja, ich …«
»Ich ruf dich später an. Es ist etwas mit Caro.«
Berenike sah, wie Adi seine Hand in der Tasche bewegte.
»Mit Caro?«
»Ja.« Berenike ließ Adi nicht aus den Augen. »Sie ist tot.«
Adi war jetzt ganz nahe an die Polizisten herangerückt.
»Wie bitte?« Amélies Stimme klang untypisch spitz. Circa fünf
Tonlagen höher als üblich. »Tot? Caro? Aber was … wie …?«
»Ich erkläre es dir später.«
»Natürlich. Du kannst mich jederzeit anrufen. Egal, zu
welcher Uhrzeit. Ich kann jetzt sowieso nicht schlafen.«
Berenike legte auf und schob das Handy in die Hosentasche. In
diesem Moment ließ Adi etwas fallen. Hart klirrte der Gegenstand den Bruchteil
einer Sekunde später auf den Asphalt. Alle starrten den jungen Mann an, bis
sich Jonas langsam, ganz langsam auf ihn zubewegte.
Vier
Der Tee weckt den guten Geist und die weisen
Gedanken.
Er erfrischt Deinen Körper und beruhigt Dein
Gemüt.
Bist Du niedergeschlagen, so wird Tee Dich
ermutigen.
Kaiser Shen Nung (2737-2697 v.Chr.)
zugeschrieben
In die Stille hinein stürmte Katharina wieder
aus dem Haus. Mit dem flatternden beigefarbenen Mantel, den sie sich
übergeworfen hatte, schien sie sich beinahe im Nebel aufzulösen. »Caro war erst
heute Nachmittag bei mir!«, klagte sie und deutete auf die Auslage. Sie
rüttelte am Arm von Inspektor Kain, dem die Aufgabe zugefallen war, den
Leichenfundort abzuschirmen. »Sonst hat sie sich selbst die Haare … aber heute
…« Katharina lachte hart und dann schluckte sie, als ihr Blick neuerlich auf
die verstümmelte Tote fiel, sie schluckte immer wieder. »Aaaaah! Ich halte das
nicht aus!« Sie ließ den Oberkörper nach vorn sinken, stand gebückt da, würgte.
Berenike stützte Katharina, während sich Jonas der Friseurin
näherte. Dabei ließ er Adi und den Gegenstand, den dieser fallen gelassen
hatte, nicht aus den Augen.
»Ich bin gleich bei Ihnen, Frau – wie heißen Sie?«
»Seyrl.«
»Frau Seyrl, bitte halten Sie sich für eine Befragung bereit.«
Katharina nickte tonlos und strich den Mantel glatt. Berenike
ließ die Friseurin los, blieb aber abwartend neben ihr stehen.
Jonas hetzte zu Adi, im Gehen
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