Ausgetanzt
winkte er einem uniformierten
Kollegen, der gleich mit einem Plastiksäckchen kam.
»Was haben Sie hier?« Scharf sah der Mordermittler Adi an und
bückte sich nach dem Gegenstand, behielt dabei Adi im Blickfeld. Berenike hörte
jedes Wort, das Jonas sprach. Auch auf die Distanz, windstill, wie es war.
Berenike sehnte sich nach Worten, die ihr galten, nur ihr, nicht einem Ding,
nicht anderen Menschen, nicht solchen Grausamkeiten. Worte, die ihr gehörten.
Sie sah, wie der Gegenstand metallisch aufblitzte, als Jonas
ihn hochhob. Er wandte ihr den Rücken zu. Ein Messer! Hell!
»Woher haben Sie dieses Messer?« Jonas versuchte, dem Mann in
die Augen zu schauen. Doch Adi sah unterwürfig an ihm vorbei, drehte den Kopf
weg, blickte auf seine Schuhspitzen, biss sich auf die Lippen. »Haben Sie es
gefunden?«
Im Müll vielleicht, bei seiner Aufgabe als Straßenkehrer. Womöglich
ein Jagdmesser, das jemand im Wald verloren hatte. Sie hatte doch vorhin einen
Schuss gehört. Berenike trat näher. Zuckte zurück. Das Metall war rot und
blutig und allein die Vorstellung, wie der Mörder damit …
Verwischtes Rot überall. Schmierig wie dieser Mann. Adi
weinte, stammelte. Kein Wort entrang sich seinem Mund, keines, das Sinn machte.
Aus starren Augen von unten herauf ein Blick auf den Kriminalbeamten in Jeans.
Der strich sich sein schwarzes, eine Spur zu langes Haar ungeduldig hinter die
Ohren und ging zu den Spurensicherern.
»Er war’s«, zischelte Valerie, die auf einmal
hinter Berenike stand. Sie deutete auf Adi. Auch die anderen Frauen drängten
sich zusammen.
»Geh, bitte, dieser Idiot«, murmelte Ellen und atmete tief
durch.
»Vielleicht hat Caro ihn nicht rangelassen«, fauchte Rita.
»Konnte halt nicht ohne Männer sein.« Katharina spuckte auf
das holprige Kopfsteinpflaster und wickelte ihren Mantel enger. »Auch wenn sie
immer die Unabhängigkeit vom anderen Geschlecht gepredigt hat.«
»Adi ist ungut, wie er mich manchmal anstarrt.« Valerie
stöhnte. »Diese Verrückten haben ja auch einen Sexualtrieb, das weiß man doch.«
»Der bekommt doch eh keinen hoch.« Ein schiefes Grinsen von
Denise, die immer noch angegriffen wirkte.
»Ich hab gehört, irgendwas ist vorgefallen in dem Heim, in
dem er wohnt«, warf Valerie wieder ein und starrte finster zu Adi hinüber.
»Letztens hat er sich hinter meinem Garten versteckt.«
Gerhild saßen noch die Tränen in der Stimme. Sie fröstelte und zerrte eine
Windjacke aus ihrer Tasche. »Mein Grundstück grenzt an den Bach.«
»Er war bei dir in Ischl?«
»Der Adi ist mobil. Er fährt immer mit dem Zug, das ist kein
Problem für ihn.« Gerhild sah auf.
Adi stand während dieser Worte abseits. Keine Regung war ihm
anzumerken. Gefurchte Brauen, das ganze Gesicht ein Abgrund, und erst die
Augen, eine Schlucht ohne Wiederkehr.
Von irgendwo war die Stimme von Jonas zu vernehmen: »Wir
müssen das Tal nach restlichen Leichenteilen absuchen.«
Ein paar Streifenpolizisten wuselten herum, jemand sprach in
ein Funkgerät.
»Sie sollen Leichenspürhunde mitbringen.«
»Adi ist hinter einem Busch hervorgesprungen, als ich neulich
aus dem Haus kam«, fuhr Gerhild fort. »Normal ist dort nie jemand, ich …«
»Ja?«
»Nichts.«
»Sag’s.«
»Naja, wenn ich mir vorstelle … man geht zu Hause schon mal
oben ohne. Es war, als ob er mich abgepasst hätte. Vielleicht hat er sich
vorher aufgegeilt und dann –«
»Geh.«
»Ja. Ich hab’s mit der Angst zu tun bekommen.« Gerhild war
einmal mehr den Tränen nah.
»Schaut ihn euch an«, Valerie ließ den Blick über Adi
schweifen, »er ist kräftig. Diese geistig Behinderten haben oft …«
»Aber«, Gerhild schnüffelte, »ein Verbrechen erfordert eine
gewisse Planung.«
»Ach so? Woher weißt du das?«, wollte Ellen wissen.
»Keine blöden Witze. Das wissen alle.«
»Zu viele Krimis gelesen, gell?«
»Hört auf mit der Streiterei. Das wäre nicht in Caros Sinn.
Ihr wisst, welchen Kampf sie …« Selma verstummte und warf Berenike einen
eigenartigen Blick zu.
Selma schob Adi in die Nähe von Jonas, der gerade
mit Inspektor Kain sprach.
»Herr Inspektor, lassen Sie bitte Adi nach Hause gehen. In
seinem Zustand«, sie beugte sich näher zu dem Kriminalpolizisten, »bekommen Sie
sowieso keine Antwort auf Ihre Fragen. Ich werde ihn morgen persönlich aufs
Wachzimmer begleiten, das verspreche ich Ihnen.« Jonas sah sie abwägend an. Der
Rest ihrer Worte ging in Motorenlärm unter. Blitzlicht, ein Journalist.
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