Ausgetanzt
eines ab?«
»Ich weiß nicht. Könnte sein. Müsste ich erst nachsehen, ob
alle im Laden sind.«
»Ok, das werden wir später überprüfen. Wie ging es weiter?«
»Sven hat zu brüllen angefangen. Hat auf die Scheißweiber
geschimpft.« Katharina schnäuzte sich laut. »Ich muss sowieso mit dir reden,
hat ihn Caro leise angesprochen. Und ihn zwingend angestarrt. Ich fand es noch
komisch, dass er sich davon beruhigen hat lassen. Er ist mit ihr weggegangen.
Aber sie kennen sich natürlich. Wenn man in derselben Gegend wohnt, läuft man
sich zwangsläufig über den Weg.« Katharina zerrte an ihrer Jacke. »Ich hab
weitergearbeitet, bis zur Sperrstunde. Caro ist mit jedem mitgegangen. Für
Abenteuer war sie zu haben. Aber ernst gemeint hat sie es bei keinem.
Vielleicht hat einer ihrer Liebhaber sie getötet.«
»Geh, Katharina, tu net Leut verdächtigen!« Selma machte
einen Schritt auf die zornige Friseurin zu, wollte sie beruhigen, aber die
stieß ihren Arm weg.
»Um einen zu nennen, dazu waren es viel zu viele Männer. Die
blöde Kuh …«
»Du hast die Caro nie g’mocht, gib’s zu«, rief Gerhild.
»Ähm«, Katharina wickelte nervös den Mantel um ihre eckige
Figur, »nein, kann man nicht sagen, dass ich sie mochte. Auch wenn sie jetzt
tot ist«, Katharina schluckte, »und man soll über Tote nichts Schlechtes … Sie
hat mir mein Geschäft ruiniert. Hat den Frauen eingeredet, sie könnten sich
selbst die Haare richten. Unabhängigkeit von Schönheitsidealen nannte sie das.
Immer mehr haben das getan. Caros verrückter Haufen halt. Caro hat gesagt, so
wie ich könne sie auch Haare schneiden.« Die Ladenbesitzerin sah grimmig in die
Runde und musterte die Frisuren der Gruppe abfällig. »Aber leid kann einem die
Frau trotzdem tun. Da will sie Ellen helfen, weil ihr Mann spinnt … und gerät
in die Hände eines Verrückten. Müssen wir jetzt alle Angst haben, Herr
Polizist?«
Jonas setzte zum Reden an, als ihm Selma ins Wort fiel. »Ja,
Herr Inspektor, müssen wir Angst haben?«
»Wir tun alles in unserer Macht Stehende, das können Sie mir
glauben!«, herrschte er die Frauen an und wirkte dabei ziemlich nervös. Selma
nickte, ungnädig sah das aus.
»Frau Seyrl«, fuhr Jonas fort, »kommen Sie bitte mit? Wir
müssen etwas überprüfen wegen Ihres Türschlosses.« Er führte die Friseurin weg
von der Frauengruppe.
»… intakt …«, konnte Berenike noch verstehen, und »… über
einen Schlüssel … verfügt …«
»Hier kann jeder rein, wenn er will …«, keifte Katharina, es
hörte sich resignierend an.
Oh nein, seufzte Berenike und dachte an Frau Gasperl. Nicht
auch noch hier ein Schlüssel unterm Blumentopf! Berenike hatte sich nie an
diese Vertrauensseligkeit auf dem Land gewöhnt. Ihrer Vermieterin hatte sie
diese Sache erst abgewöhnen können, als im Vorjahr die Mordserie geschehen war.
Seither war die ältere Frau vorsichtig geworden.
Gerhild lachte kurz auf: »Ich weiß von jedem Haus, wie ich
reinkomme.«
Jonas ging mit Katharina ins Haus. Berenike sammelte ihre
Teeutensilien ein. Es gab nichts mehr zu tun.
Fünf
Kürbissuppe mit Grüntee
Es war schon fast zwei Uhr, als Berenike endlich
heimfuhr. Ständig ließ sie den Blick schweifen. Zumindest war die Straße gut
beleuchtet. Sie musste sich konzentrieren, um wach zu bleiben. Gleichzeitig
spürte sie eine rastlose Unruhe. Wie jetzt Schlaf finden? Und dazu noch … Sie
nahm das Motorengeräusch hinter sich erst nach einer Weile wahr. Der Wagen
musste sie schon längere Zeit verfolgen. Dabei fuhr sie bedächtig, die Straßen
waren menschenleer. Berenike wollte eben die letzte der scharfen Kurven nehmen,
bevor sie zu Hause war, da heulte der Motor hinter ihr auf und plötzlich spürte
sie die Präsenz des Wagens seitlich, viel zu nahe. Sie beschleunigte, um nicht
abgedrängt zu werden. Im letzten Moment, sie war fast schon bei der Einfahrt zu
Frau Gasperls Holzhaus in Lichtersberg, in dem ihre Wohnung lag, zog der Wagen
mit noch einmal aufheulendem Motor vorbei. Im Licht einer einsamen
Straßenlaterne sah sie, dass er groß und hellgrün lackiert war. Nicht
steirergrün oder waldgrün oder tarngrün. Nein, jadegrün. Das war doch derselbe
Wagen wie jener, der sie in Hallstatt fast überfahren hätte!
Berenike parkte, das Adrenalin der eben überstandenen Angst
ließ ihre Hände zittern. Niemand war zu sehen, kein Auto und keine
Menschenseele. Langsam ging sie auf das dunkel daliegende Haus zu. Hinter dem
Fliederbusch raschelte etwas.
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