Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgetanzt

Ausgetanzt

Titel: Ausgetanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
Vom Netzwerk:
schnallte sich ihre Tasche so vorsichtig um, als hätte sie
weiche Eier darin verpackt. Die Dunkelheit legte sich wie schwarzer Samt um
ihre Körper, ihre Seelen.
    »Caro hat sich die Natur zur Vertrauten gemacht«, Rita
schauerte unter ihrem wilden Umhang, »und jetzt …« Jetzt hat der Wald sie
geholt. Aber nein, wie kindisch. Böse Waldgeister gibt es nicht, sagte sich
Berenike, nur böse Menschen.
    »Bitten wir die Göttin um Hilfe. Schütz uns, Waldmutter«,
rief die junge Tänzerin im Leopardenfell und ihre Stimme war so hektisch wie
alles an ihr, hektisch und hell, »Forstmutter … ach, ohne Caro weiß ich
gar nicht, wie ich tun soll.« Rita brach mit hysterischer Stimme ab. Sie schob
ihren Ärmel hoch, kratzte sich und stöhnte. »AAAH.«
    Berenike meinte, blutverkrustete Wunden zu sehen. »Hast du
dir wehgetan?«
    »Was? Nein, es ist nichts.« Rita drehte sich weg und bedeckte
ihren Arm wieder. »Gehen wir.«
    Endlich zogen sie los. Als Berenike sich noch einmal
umdrehte, war keine der Frauen mehr zu sehen außer Selma, die hinter ihr ging.
Allein mit Selma. Allein, echote ihr Herzschlag.
    »Ich wollte die anderen nicht beunruhigen«, fing Selma nach
ein paar Schritten an, »aber mit dir kann ich offen reden, Berenike, nicht
wahr? Du hast doch auch letztes Jahr den Mordfall erlebt. Du wirkst so, als
könntest du das ertragen.« Sie blickte Berenike forschend an, und diese nickte.
»Ich mach mir große Sorgen um meine Kollegin«, fuhr Selma fort. »Caro und ich
arbeiten im Frauenhaus in Bad Ischl. Sie unterrichtet nur nebenher in Amélies
Studio, weil sie Geld braucht.« Unter Selmas Fußsohlen knackte etwas. »Caro
kennt sich hier aus wie in ihrer eigenen Westentasche. Die würde sich nicht
einfach verlaufen.« Selma stolperte und fiel. »Scheiße.« Sie saß da und
plötzlich war ein Summen zu vernehmen. Wie von einem, der nicht singen kann.
Dann Krähenrufe. Und schon wieder ein Käuzchen. Mühsam rappelte sich Selma auf.
Ihre Figur wirkte weich und offen und mütterlich, auf eine sinnliche Art.
Berenike streckte ihr eine Hand entgegen, Selma achtete nicht darauf.
»Scheißfinsternis.« Sie klaubte die Taschenlampe vom Boden auf und griff nach
irgendwelchem Kram, der aus ihrer Tasche gefallen war. Berenike griff nach
einem Glas, doch Selma war schneller. »Lass nur, es geht schon.« ›Butte‹,
konnte Berenike gerade noch entziffern, ehe Selma das Glas eingesteckt hatte
und sich im Strahl der Taschenlampe verstohlen umsah. Berenike wunderte sich,
wer transportierte schon Butter in einem Glas. Sie wollte etwas sagen, aber
Selma ging bereits voraus.
    Sie wandten sich nun hierhin und dahin, die Finsternis
spielte ihnen Streiche, zwei Taschenlampen kamen in ihrer Müdigkeit kaum
dagegen an. Ein Vogel schrie verschlafen. Erneut Dornenranken. Berenike
verhedderte sich darin, als ob die Pflanze sie hier gefangen halten wollte,
unwissend und ratlos, wie sie war. Dazu diese Nachtkälte, die machte die Finger
klamm und die Seele.
    Ein pfeifendes Schnauben ließ sie zusammenfahren. Selma
tastete nach Berenikes Hand. »Hast du das auch gehört?«
    »Ja«, ihr Flüstern war ein Brennen im Hals, versengte die
Lunge beim Atemholen. Eine Stimme. Worte in der dunklen Luft, unverständliche
Worte. Gleich darauf war es wieder still.
    Berenike drückte Selmas Hand. »Alles ok?«
    »Jaha.« Nichts war ok. Caro fehlte.
    Selma hustete. »Gehen wir weiter.«
    Berenike dachte an Jonas, der wäre jetzt … Sie stapfte
voraus. Nein, sie war selbstständig, sie würde mit eigener Kraft aus der
Situation herausfinden. Ohne ihren Polizistenfreund. Wie kindisch und
mädchenhaft, auf einen Prinzen zu warten, der sie doch nie zur rechten Zeit
küsste.
    Da vorne lenkte sie etwas von ihren Gedanken ab. Etwas
Dunkles, das sie fühlen konnte, aber nicht sehen. Es lauerte, kam näher.
Berenike verfluchte ihre Eitelkeit. In der Nacht sah sie noch schlechter als
bei Tageslicht. Und noch immer hatte sie keinen Sehtest gemacht. Eitelkeit,
nichts sonst. Aber jetzt, jetzt wäre eine Brille angebracht.
    Irgendetwas kam auf sie zu. Ein Lebewesen. Berenike starrte
nach vorn. Überlegte, welche Tiere hier lebten. Dachte an wilde Hunde, Bären,
Luchse. Gleichzeitig linste sie zu Selma. Ohne sich abzusprechen, verlangsamten
sie beide ihre Schritte. Selma umklammerte Berenikes Arm. Eine Stimme war zu
hören. Ein Wimmern nur, vielleicht doch ein Tier. Verdammt, es war so finster.
»Caro?« Berenike flüsterte. »Caro, bist du das? Caro!«
    »Hör auf

Weitere Kostenlose Bücher