Ausgeträllert (German Edition)
Gesicht.
Der Anschluss im Büro war tot. Die Tür der Cateringküche war abgeschlossen, also ging ich zurück zur Kellertür.
»Jorgo«, rief ich vom Treppenabsatz. »Jorgo, ich muss zur Telefonzelle laufen.«
Ich bekam keine Antwort.
»Jorgo?!«
Ich ging hinunter. Da, wo Dennis Leiche gelegen hatte, war nur noch ein feuchter Fleck auf dem Boden, und ein glimmender Zigarettenstummel lag da, wo Jorgo zuvor gesessen hatte.
»Jorgo?! Wo bist du?«, rief ich.
Vom Ende des Gangs hörte ich ein Surren, wie von einer ultraschnellen Nähmaschine. Dort befand sich die Metzgereiküche, in der die großen Kessel für die Wurstherstellung und die Bandsägen fürs Filetieren standen. Ich stieß die Schwingtür auf. Dennis’ Leiche lag auf einem metallenen Arbeitstisch direkt neben der Bandsäge. Seine Kleidung war aufgeschnitten. Rechts neben der Bandsäge stand eine große Zinkwanne. Darin lag Jorgo ausgestreckt, als wolle er ein Bad nehmen. Sein Kopf mit den schwarzen Haaren lag auf dem Wannenrand. Seine Augen waren geschlossen. Ich hielt den Atem an und fühlte an seinem Hals nach einem Puls. »Jorgo, wach auf«, sagte ich. Er rührte sich nicht. Ich kniff in seine Wange. »Jorgo, was ist denn los?«
»Hallo Maggie. Kommst du, um mir zu helfen?«
Ich fuhr herum. Vor mir stand Petra Heibuch. Sie trug eine dicke, graue Gummischürze, die bis zum Boden reichte. Ihre linke Hand steckte in einem Kettenhandschuh und in der Rechten hielt sie ein großes Beil. Sie lächelte mich an, als sie sagte: »Der Jorgo wollte nicht helfen. Wie gut, dass du da bist.«
Sie holte ein schwarzes, längliches Gerät, das aussah wie ein großes Handy, aus der Schürzentasche und zeigte es mir. »Ein bisschen Elektrizität – haut den stärksten Ochsen um. Ich musste das tun, sonst hätte er mir nur im Weg rumgestanden.«
»Petra ...«, sagte ich und bewegte mich langsam rückwärts. »Petra, dass du schon so früh zu arbeiten anfängst. Ich geh wieder nach oben, ich muss die Transporter noch ausräumen.« Ich fühlte die Schwingtür im Rücken. Nur noch aufstoßen und wegrennen, dachte ich.
Petra wandte sich Dennis’ Leiche zu. Sie strich ihm mit der linken Hand die nassen Haare aus dem Gesicht.
»Wenn ich mit ihm fertig bin, gehe ich auch.«
»Wohin?«, fragte ich mit bebender Stimme.
»Frag doch nicht so dumm.«
Sie schaute auf und nahm ein Beil vom Arbeitstisch. »Du willst mir also auch nicht helfen? Keiner will mir helfen. Keiner. Alles muss man alleine machen.« Ihre Stimme hatte plötzlich den Tonfall eines nörgeligen Teenagers angenommen.
»Wenn meine Schwägerin glaubt, sie kriegt Wolfi und die Million, die Günnis Lebensversicherung wert ist, dann hat sie sich getäuscht. Hast du gesehen, wie schnell die ausgeträllert hatte? Hm?«
Genau wie Elli gesagt hatte: Ein Profi am Werk ... Mit einem Schnitt die Kehle durchgeschnitten. Petra war ein Profi, eine Metzgermeisterin.
»Das warst du?«, meine Stimme gehorchte mir kaum noch.
»Traust du mir das nicht zu? Glotz doch nicht so wie ein Schaf. Was hätte ich denn machen sollen? Ihr den Wolfi geben, und dann? Fang ich hier wieder von vorne an? Wie vor zwanzig Jahren schon?«
»Sie hätte sich auch bestimmt nicht so gut um ihn gekümmert wie du«, sagte ich, in der Hoffnung, es könnte sie beschwichtigen.
»Natürlich nicht. Die Britta hat den Günni bluten lassen. Das war der Dank dafür, dass wir ihr Kind großgezogen haben. Wir haben Wolfi beschützt, während sich meine feine Schwägerin um den Verstand gesoffen hat. Günni hat alles für sie getan, alles ...«
Sie ging um den Tisch herum und kam auf mich zu. »Ich hab den Ordner gefunden, und dann bin ich zu Racic und hab ihm gedroht! Dass ich alles auffliegen lasse ... dass ich der Presse erzähle, woher die Verkaufszahlen für die Nachtigall kommen ... aber er hat gesagt: Vertrag ist Vertrag. Solange der Günni der Chef ist, wird nix geändert. Und dann bin ich zu Günni und ich ... wir haben uns gestritten, und ich war so wütend ... und hab den Hocker genommen und nach ihm geworfen ... Da ist er umgefallen ... und dann ... ja, da war mein Leben irgendwie vorbei.«
Mir brach der Schweiß aus. Günni war also längst tot gewesen, als Dennis ins Zelt gekommen war.
Petra richtete sich auf, schob mit einem Ruck Dennis’ Leiche unter die Bandsäge. Sein rechter Arm fiel polternd auf den Boden.
Ich drehte mich um, stieß die Tür auf und lief nach oben.
»Ich bringe das zu Ende«, rief Petra. »Ich bringe das zu
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