Ausgeträllert (German Edition)
und du gibst eine Suchanzeige im Stadtanzeiger auf«, erklärte Wilma, ohne Anstalten zu machen, mir auch ein Glas Rotwein anzubieten.
»Ja, super. Was soll ich da reinschreiben? Frau ohne Geld sucht Wohnung mit Möbeln, die nix kostet? Beheizte Besenkammer mit Klo auf dem Flur auch angenehm – mein zweiter Name ist Harry Potter?!« Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen.
»Wenn du so an die Sache rangehst, wird das nie was. Frag doch Matti. Wo alte Leute sterben, werden Wohnungen frei.«
»Das ist ja wohl das Allerletzte! Frag du ihn doch, wenn du mich so dringend loswerden willst.«
»Von nix kommt nix, Maggie. Und ja, ich werde dich bald loswerden müssen.«
»Warum? Geh ich dir so auf den Keks? Ich spüle jeden Tag und das Bad mach ich auch sauber. Ich bemühe mich, wie du siehst. Und ich bin noch weit unter Durchschnitt, was das Verfärben von Klamotten in der Waschmaschine angeht. Was ist an mir als Mitbewohner auszusetzen?«
»Erstens, du müffelst nach altem Bratfett und Brühwürfeln, und zweitens, was noch wesentlich schwerer wiegt: Du heißt nicht Acki«, sagte Wilma.
»Ach … Und wenn ich mich jeden Tag mit Fahrradschmieröl parfümiere, darf ich dann ein paar Tage länger bleiben?«, fauchte ich zurück.
»Acki und ich wollen zusammenziehen und gucken, wie es klappt. Und zwar nur zwischen uns beiden und nicht zwischen uns Dreien. Eine Dreier-WG ist nicht vorgesehen.«
»Das sind ja ganz neue Töne. Vor sechs Monaten hast du ihn noch rausgeworfen, weil er dir einen Heiratsantrag gemacht hat, und jetzt das? Seit wann willst du mit einem Mann zusammenwohnen?«
»Cherchez la femme. Ich finde, er hat’s verdient.«
»Na, super. Hätt’ ich mir ja denken können. Du und deine spontanen Entscheidungen. Wie groß ist mein Zeitfenster, bevor du mir den Koffer vor die Tür stellst?«
»Meine Güte, Maggie. Der Wohnungsmarkt ist total entspannt, in null Komma nix wirst du was gefunden haben«, sagte sie und schob mir den Wohnungsteil des Bochumer Stadtspiegels über den Tisch, der, wie ich leider zugeben musste, vier volle Seiten umfasste.
»So! Wenn du schon die Zeitung für mich wälzt, schätze ich mal, dass ich weniger als drei Tage habe. Danke, Wilma. Dann nehme ich doch am besten gleich Ackis Wohnung.«
»Das glaub ich nicht. Die kannst du nicht bezahlen. Sorry.« Wilma tippte mit ihrem Zeigefinger auf die Zeitung. »Du hast ja noch gar nicht richtig gesucht. Fang damit an.«
»Na gut, dann gib mir den Zwanni. Ich hab schon verstanden.«
Vor meinem geistigen Auge sah ich mich bereits durch klamme Hausflure tapern, übergriffige Vermieter-Fragen zu meinem Gehalt, polizeilichem Führungszeugnis und meinem Job beantworten. Und wo ich schon mal dabei war, konnte ich mir auch gleich Sorgen darüber machen, wie ich eine Kaution bezahlen sollte. Kaum eine Wohnung würde nicht renovierungsbedürftig sein. Und wenn sie renoviert war, konnte ich sicher sein, dass die Miete mein Budget übersteigen würde. Schließlich war ich gezwungen, monatlich zweihundertfünfzig Euro Kreditrate abzubezahlen – für eine Reise in die Karibik, deren Sonnenbräune schneller erloschen war als die Liebe zwischen Dieter Bohlen und seinem Teppichluder. Und am Ende des Tages – ich schob mir eben das letzte Kanapee zwischen die Zähne – drängte sich mir die Frage auf: Was soll ich mit einem, zwei oder drei leeren Räumen? Ich hatte ja noch nicht mal das Geld, mir einen gebrauchten Hocker zu kaufen.
Ich trank den kalten Kaffee aus und stellte Prince Charles unsanft auf dem Küchentisch ab. Ergebnis des heutigen Tages: Glatte 150 Punkte. Dabei hatte es so ausgesehen, als käme ich diesmal unter 100 weg. Man wird ja noch träumen dürfen.
»Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt. Dass du hier wohnst, war nie als Dauerzustand geplant«, sagte Wilma. Sie musste meinen 150-Punkte-Gesichtsausdruck bemerkt haben. »Du wirst schon irgendwas finden, das du bezahlen kannst.«
»Ich bin nicht beleidigt, Wilma. Ich bin todmüde und ich hab Aschenputtel … massives Aschenputtel!«
»Ja, sag ich doch … Was machst du da?«
»Mit Verlaub, ich genehmige mir ein Glas Rotwein. Außerdem habe ich eine Verabredung mit meiner Freundin Ally McBeal. Du wirst ja wohl nicht von mir verlangen, um diese Uhrzeit irgendeinen Vermieter anzurufen.«
Ich ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Vom Vorspann bekam ich so gut wie gar nichts mit, weil Wilma sich neben mich aufs Sofa pflanzte, die Zeitung auf den Knien. »1,5 Zi,
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