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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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die ganze Geschichte in epischer Breite vorgetragen würde. Die Fußballfreunde hoben die Biergläser und riefen im Chor: »Wir hören!«
    Und dann erfuhren wir die ganze Wahrheit über Kai-Uwe Hasselbrink und den verpassten Mittelaltermarkt, der in diesem Jahr der Höhepunkt in Raouls Karriere hätte werden sollen, hätte Kai-Uwe nicht vergessen, für das Café Madrid die Anmeldung für einen Verkaufsstand abzugeben. Raoul hatte seinem Chef die Anmeldeformulare, inklusive Konzept, das vorsah, dass Kai-Uwe Hasselbrink als Don Quichote und Raoul als Sancho Panza den Bochumern die mittelalterliche spanische Küche nahe zu bringen gedachten, auf den Tresen gelegt, und dort hatte Kai-Uwe Hasselbrink die Zettel einfach liegengelassen, bis sie durchweicht und unleserlich von Bier und Kaffeeresten von der Putzfrau gefunden, als Müll deklariert und dementsprechend entsorgt worden waren.
    Nachdem Raoul klar geworden war (ungefähr vor 48 Stunden), dass sein Chef die ausgefuchste PR-Aktion durch seine schiere Baseligkeit vereitelt hatte, konnte man durchaus von einer deutsch-spanischen Krise sprechen, die am heutigen Abend auf ihrem Höhepunkt angekommen war: Raoul hatte seine Küche zum Sperrgebiet und Kai-Uwe zur Persona non grata erklärt. Und damit Kai-Uwe sein Hausverbot für die Küche auch wirklich einhalten musste, hatte Raoul die Tür zwischen Kneipe und Küche von innen vernagelt, ein Loch hineingesägt, um die Teller Richtung Tresen schieben zu können, um dann die Klappe sofort wieder zu verschließen, weil er Kai-Uwes Anblick nicht mehr ertragen konnte, wie er mehrmals versicherte – ohne das Hassobjekt auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, versteht sich.
    Wenn Kai-Uwe also zukünftig die Küche betreten wollte, müsste er jedes Mal einen Umweg durch die Feuerschutztür und durch den Hausflur nehmen. Und bis er dort angekommen wäre, hätte Raoul längst den Schlüssel umgedreht.
    »Das Kuche gehörte mir!«, beendete er sein Klagelied und guckte dabei herausfordernd Kai-Uwe an, der hinter der Theke stand und die ganze Tirade über sich hatte ergehen lassen.
    »Bist du endlich fertig, Raoul?«, fragte er. »Hast du dich mal gefragt, wie ich mich dabei fühle?«
    »Du redesse von nixe andere als deine Gefuhle ... stehte mir dass bis ober die Ohre ...«
    »So ist das also. Dann is’ ja gut«, sagte Kai-Uwe beleidigt. »Dann kann ich ja gehen, aber der Schlüssel, Raoul ..., gehört mir. Weil mir die Kneipe gehört.«
    Raoul sprang vom Stuhl hoch und raste auf Hasselbrink zu, der durch die Feuerschutztür in den Hausflur flüchtete. Bevor Raoul die Tür erreicht hatte, hörten wir, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Raoul fackelte nicht lange. Breit grinsend drehte er sich um und rief: »Carte blanche! Dasse Gefuhledusel Hippie isse ausse Hause. Freiesse Trinke für alle ... wir musse dasse feiern. In fünf Minute, esse gibte Sangria für alle ...« Seine schwarzen Augen sprühten Funken, als er unter der Theke fünf Sektkübel hervorholte und auf den Tresen stellte. Er griff sich diverse Rotweinflaschen, die er, eine nach der anderen, mit einem gezielten Hieb auf die Theke vom Hals befreite und dann in hohem Bogen in die Kübel entleerte. Ein paar Fußballfreunde kamen ihm zur Hilfe: Einer schnibbelte Orangen und ein anderer verteilte lange Strohhalme an die Gäste, und so nahm der Küchen-Conquistador das Ruder in die Hand und das Unglück seinen Lauf.
    »Meinst du, wir sollten die Polizei rufen?«, fragte ich Winnie.
    »Nö, wieso denn? Is ja noch nix passiert.«
    »Seh ich genauso«, bestätigte Elli. Rudi nickte und fragte: »Wer sollte an dem Stand denn Rosinante sein? Hat Raoul etwa ein Pferd gemietet?«
    »Dem ist alles zuzutrauen. Obwohl ... Kai-Uwe als Don Quichotte, das hat was«, sagte ich, nahm einen Strohhalm entgegen und erinnerte mich mit Schrecken daran, dass Günni Heibuch auch für mich ein selten dämliches Kostüm für den Mittelaltermarkt besorgt hatte, Typ: Marketenderin. Ich hatte bislang noch niemandem davon erzählt, geschweige denn es herumgezeigt. Meine Freunde würden noch früh genug spitz kriegen, dass ich in den nächsten drei Tagen acht Lagen Baumwollröcke in Schlammbraun und dazu eine Filzhaube tragen musste, die mich aussehen ließ wie eine Schildkröte mit Bauchschmerzen. Günni hatte für sich natürlich ein Ritterkostüm ausgesucht – Lederhose, Stulpenstiefel und darüber ein Kettenhemd.
    »Ich dachte, ich bin ein Burgfräulein«, hatte ich protestiert,

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