Ausgeträllert (German Edition)
ein Rollo, damit dir die Leute abends nich’ aufs Sofa glotzen. Hier is für alles gesorgt.« Elli ließ mit einem Ruck das Rollo herunterrasseln. Wir standen im Dunkeln.
»Okay, und was kostet der ganze Spaß?«, fragte ich.
»Klo is auffem Flur … das Bad hat einen Elektroboiler«, sagte Elli und zog das Rollo wieder hoch. »Und sogar eine Badewanne.«
»War das jetzt die Antwort auf meine Frage?«
»Jetzt warte doch mal«, sagte sie gedehnt. »Das sind achtundvierzig Quadratmeter, ohne Heizung, und Klo is auffem Flur …«
»Wo sind denn hier achtundvierzig Quadratmeter? Die Küche hat höchsten vier und das kleine Wohnzimmerchen zehn, wovon drei Meter für das Fenster draufgehen und zwei für den Kaminofen und das Minibad hat zweieinhalb. Macht nach Adam Riese sechzehn, wenn’s hochkommt zwanzig. Und wo ist der Rest?«
Elli kratzte sich am Kopf und sagte: »Im Schlafzimmer. Ich hab Hunger.«
Es klang wie eine Drohung. Ungefähr wie: Jetzt hab ich aber genug von dem Mist!
»Okay, okay … Kann ich das Schlafzimmer bitte noch sehen?«
»Wenn es sein muss.«
»Was ist denn damit? Du bist doch sonst nicht so zimperlich, wenn es um ›nackte Wahrheiten, gelassen ausgesprochen‹ geht.«
Elli setzte ihre zweihundertzwanzig Kilo in Bewegung, die an diesem Tag statt in einem wallenden Chiffonensemble in einer mauvefarbenen Latzhose steckten. An den Füßen trug sie passend dazu goldene Turnschuhe, die mit mauvefarbenen Schnürsenkeln versehen waren. Sie stellte sich neben den Kamin und wies auf eine tapezierte Tür, die mir in dem Blumentohuwabohu noch gar nicht aufgefallen war.
»Also, ich muss dir was sagen, also, das Schlafzimmer, das is … also, könnte vielleicht nicht so dein Geschmack sein. Die Fiona, die war …« Elli seufzte. Ich fürchtete, dass die Metallknöpfe, die die Träger ihrer Arbeitshose mit dem Latz zusammenhielten, in der nächsten Sekunde mit einem lauten
Ploink
vom Stoff abspringen würden.
»Und? Was könnte denn noch schlimmer sein als dieses Softeis- und Laura-Ashley-Armageddon? Kommt jetzt noch’ne karibische Wandtapete mit Sonnenuntergang?« Ich stieß die Tür auf und sah gar nichts. Der Raum war schwarz wie die Nacht.
»Ist das der Kohlenkeller, Elli?«
Ihr Arm schob sich an meiner Schulter vorbei. Plötzlich war es hell in dem Raum – und ich hatte das Gefühl, als würden bei mir auf der Stelle alle Lichter ausgehen. Gummimasken hingen sorgfältig aufgereiht an der einen Wand. Eine Auswahl Ketten und Handschellen komplettierten das Sortiment. In einer Ecke standen die hochhackigsten Lackstiefel, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Daneben eine Vitrine mit Gegenständen, über deren Gebrauch ich lieber nichts wissen wollte. Ich schluckte und sagte: »Können wir wenigstens den Gynäkologiestuhl hier rauswerfen?«
Elli sagte: »Aber das Bett is doch super … mit integrierten Handschellen und Streckbank. Wenn ich das alles verkauft kriege, dann kommt das hier raus, aber bis dahin muss es eben irgendwo bleiben, und ich hab keine andere Lagermöglichkeit, weil ab morgen die Ware für den Salon ankommt. Den Wandschrank lässte bitte zu – Latex und Einläufe brauch’sste wohl in nächster Zeit nicht. Also, was is gezz? Ich krieg Hungerödem.«
»Wie viel?«
»Is okay, wenn du den Strom bezahlst und noch’n Hunni drauf.«
»Und wie viel hast du gekriegt, als das noch benutzt wurde, ich meine als Sado-Maso-Studio?«
»Noch’ne Null dran und zweitausend schwarz. Aber damit ist Schluss, Ende, aus die Maus.«
Elli drückte mir den Wohnungsschlüssel in die Hand und sagte: »Dat Schloss is’ kaputt. Is aber nicht so schlimm, wer hier rein will, muss ja erst mal bei mir vorbei. Ich lass dat irgendwann mal reparieren. Hol deine Sachen und stell keine dummen Fragen. Ich muss vorne anstreichen. Kannst ja mal helfen kommen, wenn du Zeit hast.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, walzte sie hinaus. Ich beeilte mich, ihr zu folgen, und knallte die Schlafzimmertür hinter mir zu. Elli rief aus dem Flur: »Toilette putzen einmal in der Woche, bitte.«
Wie sich herausstellte, war das Sofa im Wohnzimmer eines zum ausklappen. Zur Not könnte ich auch hier schlafen, wenn mir die Domina-Kollektion Alpträume bereiten würde.
Bei meinem zweiten Rundgang entdeckte ich neben der Küchentür noch eine schmale tapezierte Tür, die zu einem Einbauschrank gehörte. Dort fand ich hervorragend sortierte Bettwäsche und Handtücher von guter Qualität – Blumenmuster, versteht
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