Ausgeträllert (German Edition)
nich’?«
»Hab ich nicht, Richie, vorne gibt es genug Zigaretten. Du musst dir nur welche kaufen.«
Murrend quälte er sich aus dem Sessel, kontrollierte den Sitz seiner Jeans (weit unter dem Äquator) und latschte in Richtung Kiosk. »Lass deine Fottfinger von den Nappos«, hörte ich ihn schimpfen. Dann wurde das Kioskfenster aufgerissen und Richie bellte: »Ich hau dir wat auffe Murmel, Simone, wenn ich dich noch einma’ beim Klauen erwisch’.« Dann wurde das Fenster wieder zugeknallt. »Scheiß-Blagen!«
Matti stand auf, zog die Schiebetür zum Kiosk zu und sagte: »Was soll das bedeuten? Was ist denn mit Frau Wilma?«
Ich stand auf und kippte die Reisetasche auf dem Teppich aus. »Das bedeutet, dass meine liebe Freundin Wilma mich rausgeworfen hat. Sie möchte, dass Acki auf der Stelle Tisch und Bett mit ihr teilt.«
Ich fand in dem Haufen eine saubere Jeans, meine Jeansjacke, Socken und frische Unterwäsche. »Na, super. Keine T-Shirts.« Ich raffte die Decke um mich und lief ins Bad, wo Berti mein Mittelalterkostüm gewaschen und auf die Leine gehängt hatte. Es war alles noch feucht. Ich stolperte zurück. »Keine T-Shirts. Ich ruf Wilma an, die soll mir welche von ihren bringen!«
»Moment«, sagte Matti und ging hinaus. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Decke verrutscht war und mein blankes Hinterteil an der frischen Luft hing. Hatte er es jetzt gesehen oder nicht?
Matti kam, kaum dass ich wieder auf dem Sofa saß, mit einem Stapel dunkelgrauer T-Shirts zurück.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Rudis Idee.« Matti hielt mir eines in Größe M hin. Auf der Brust prangte sehr dezent das Logo von Mattis Bestattungsunternehmen in Form einer Sonne und eines Mondes und darunter stand:
Bestattungen Abendroth - Immer für Sie da
, und eine Telefonnummer. Ich hätte wissen müssen, dass mir meine schwachsinnig-romantische Sekunde vor ein paar Monaten, die dazu geführt hatte, dass ich Matti gestattet hatte, statt seines hochkomplizierten finnischen Nachnamens meinen Namen für das Beerdigungsunternehmen zu benutzen, langfristig zweifelhafte Freude bereiten würde.
»Und damit soll ich jetzt Reklame laufen?«
»Bevor Sie gar nichts anhaben. Ich hab auch noch eins in L.«
Ich suchte in seiner Miene nach Anzeichen für Ironie, aber da war nichts, nur die beiden klaren finnischen Seen, aus denen er mich anguckte.
Rudi brachte ein Tablett mit Kaffeetassen aus der Küche. »Zieh mal an, zieh mal an. Die sind doch todschick, oder?«
»Wird mir wohl nix anderes übrig bleiben«, murmelte ich und zog die Tür zum Kiosk auf. »Richie, kannste noch mal zu Wilma gehen und die T-Shirts aus dem Trockner holen?«, rief ich.
»Nee, kann ich nich«, kam es aus dem Kiosk. »T-Shirts gibt’s im Laden, Maggie. Kannst dir ja welche kaufen.«
Berti schob die Tür zum Kiosk ganz auf und sagte: »Und du sei nich so frech, Richie, sonz krisse wat hinter die Löffel! Und hör da drin auf zu rauchen oder ich vergess’ mich!«
Rudi stand stramm, obwohl er gar nicht gemeint gewesen war.
»Dat kann der Bengel morgen machen. Ich glaub, du hast grad andere Sorgen als deine nassen T-Shirts. Oder hab ich dat gezz falsch verstanden mit deine Klamotten?«
»Nee, ich glaub nicht. Wie es aussieht, hat Wilma mir grad fristlos das Gästezimmer gekündigt«, sagte ich.
»Na, also, sach ich doch. Wir müssen gezz erssma’ne Bleibe für dich finden, oder?«
Rudi wartete ergeben mit dem Tablett in der Hand, bis Berti den Kaffee eingeschenkt und die Tassen auf dem Wohnzimmertisch verteilt hatte. Dann setzte er es ab und hob die Hand, wie ein Schuljunge, und erst als Berti ihn auffordernd anschaute, sagte er: »Elli hat doch gestern so was gesagt, dass sie eventuell was hätte. Frag die doch noch mal.«
»Die meinte doch nicht ab sofort«, sagte ich. »Irgendwann, vielleicht in den nächsten Wochen. Die muss erst mal ihren Pudelsalon eröffnen. Ich geh einfach wieder zurück zu Wilma. So geht das ja auch nicht. Ein paar Tage wird sie mich noch ertragen müssen. Die weiß bestimmt noch gar nicht, was passiert ist.«
»Jasija weiß die dat. Glaubse wohl, dat ich der dat erzählt hab«, krähte Richie aus dem Kiosk.
»Tja, na dann«, sagte ich und versuchte zu lächeln.
»Sie können gerne in meiner Wohnung bleiben, bis Sie was gefunden haben, Frau Margret. Ich schlafe solange in Rudis Wohnung auf dem Gästebett.«
»Superidee, Matti. Ich bin sowieso in der nächsten Zeit nicht so viel zu Hause, ich meine nachts …« Rudis Gesicht
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