Ausgeträllert (German Edition)
sich.
Hinter der nächsten Schranktür war nichts außer ein paar leeren Kleiderbügeln. Ich wanderte in die Küche zurück und öffnete die Schränke. Millefleurs wohin das Auge reichte. Sollte ich in der nächsten Zeit etwas essen wollen, käme ich mir vor wie eine Kuh auf einer Blumenwiese. Sogar die Griffe des Bestecks waren passend gemustert. Der Kühlschrank war leer und picobello sauber. In einem Hängeschrank fand ich zu meinem großen Erstaunen einen weißen Aschenbecher ohne jedes Dekor und stellte ihn auf den kleinen Küchentisch. Daneben schüttete ich mein Portemonnaie aus und fand achtundneunzig Euro.
Wie heißt es in Mafiafilmen so schön? Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Tausche feindselige Wilma gegen Blumenmuster-Terror. Vielleicht wäre es doch nicht so verkehrt, ab und zu zwecks kleiner Augenentspannung ins schwarze Zimmer zu gehen.
Eins jedenfalls musste man der Wohnung lassen: Wilma hatte nur einen Elektrokamin – ich hätte ab jetzt ein echtes Feuer mit englischer Kaminumrandung. Eigentlich schade, dass grad Sommer war.
Kapitel 7
Was blieb mir also anderes übrig, als Ellis Angebot anzunehmen - die Vorteile lagen klar auf der Hand. Fehlte nur noch ein Masterplan für die Finanzierung dieser ungewöhnlichen Bleibe.
Jetzt zu Petra Heibuch zu gehen, um den Lohn für Ladislaus’ Trauerfeier und den heutigen Tag einzufordern, wäre wohl mehr als pietätlos gewesen. Dann würde Wilma eben bluten müssen – die wollte ja unbedingt, dass ich ausziehe. Dann könnte sie auch ein kleines Darlehen springen lassen. Wie würde denn das aussehen, wenn ich Elli gleich die erste Miete schuldig bliebe?
Mitten in meine Gedanken ratterte der nächste Nokia-Express. Das Quietschen der Bremsen erstarb. Das Rollo rasselte von allein herunter und blieb schief auf der Hälfte der Fensterhöhe hängen. Ich zündete mir eine Zigarette an, ging ins Bad und drückte auf den ›Ein‹-Knopf für das warme Wasser am Elektroboiler. Dann war ich so unvorsichtig, einen Blick in den Spiegel überm Waschbecken zu werfen – was mir da entgegenblickte, sah bestenfalls so aus wie ein Modell für Vorher-Fotos. Ich schaltete die Lampe überm Spiegel aus – auch nicht besser – die Schatten unter meinen Augen waren einfach nur noch dunkler. Dafür strahlte mir vom Fußboden in zartgrün die Zahl: 81,23 Kilo entgegen. Das hatte ich nun davon, dass dank Heibuch-Catering immer was zu essen greifbar war. Und überhaupt: Fiona, ich hasse dich, obwohl ich dich noch nie gesehen habe – wie kommt man auf die Idee, eine als harmlose Bodenfliese getarnte Personenwaage in den Fußboden einzulassen?! Tagtäglich würde ich auf dieser Fliese stehen müssen, wollte ich mir nicht im Seitspagat die Zähne vorm Waschbecken putzen. Ich holte ein Handtuch aus dem Wandschrank und breitete es vorm Waschbecken aus. Aus den Augen, aus dem Sinn. Probehalber stellte ich mich auf das Handtuch. Die Leuchtdioden schimmerten durch: 81,53 Kilo.
Nach den harten Tatsachen im Sanitärbereich beschloss ich, dem Schlafzimmer eine zweite Chance zu geben.
Das schwarze Metallbett war riesengroß – mindestens fünf Quadratmeter. Darüber hing ein ebenso großer Spiegel an der Decke. Über dem Kopfteil des Bettes entdeckte ich ein in die Wand eingelassenes Schaltmodul mit diversen Knöpfen. Ich drückte todesmutig auf den ersten von links. Das Bett fing an, sanft zu vibrieren. Ich streckte mich auf dem Bett aus, und bevor ich noch lange darüber nachdenken konnte, wie viele Rippen ich mir brechen lassen müsste, um in die Lederkorsage zu passen, die neben dem Bett hing, fielen mir die Augen zu. Ich hatte einen sehr schönen Traum – von einem weißen Fliesenboden, aus dem mir in zartgrün die wunderbare Zahl 47,20 Kilo entgegenstrahlte.
Das Klappern der Wohnungstür riss mich aus dem Schlaf. Ich tastete nach dem Lichtschalter. Der zweite Knopf von links war es bestimmt nicht, denn ich hörte plötzlich den Originalsoundtrack eines Kerkers – mit steten Wassertropfen, Kettengerassel, Stöhnen und Wimmern. Ich drückte schnell den nächsten Knopf und war plötzlich auf einer Krankenstation, auf der eine weibliche Stimme befahl, sofort die Hosen auszuziehen und sich zu bücken. Plötzlich ging das Licht an, und Winnie stand in der Tür. »Na, schon alles ausprobiert?«, sagte er.
Ich setzte mich auf die Bettkante und rieb mir die Augen. »Nee, keine Zeit.«
»Kaffee ist fertig, und Oma hat deine Sachen mitgebracht. Mach doch mal den Sound aus.«
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